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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel
Autoren: S Mann
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musste.
    Was Bastiani widerfahren war, war Grund genug zur Rache. Hatte er also begonnen, sich systematisch an denjenigen zu rächen, die in jener Nacht dabei gewesen waren, aber ihm nicht geholfen hatten, sondern feige weggerannt waren? Die zugelassen hatten, dass er beinahe totgeprügelt worden und jetzt für den Rest seines Lebens entstellt war? Wenn dem so war, gab es sicher noch weitere mögliche Opfer. Richie hatte von zwei oder drei Männern erzählt, die er beim Davonrennen beobachtet hatte. Bastiani musste im Mondlicht ihre Gesichter gesehen haben, später hatte er sie wahrscheinlich in der Markthalle wiedererkannt. Sein Stand befand sich direkt im Eingangsbereich der Halle und nach der Eröffnung war es sehr hip gewesen, sich dort sehen zu lassen. Halb Zürich war dorthin gepilgert.
    Später hatte er die Männer aufgesucht und umgebracht, einen nach dem anderen. Dabei hatte er es immer wie einen Unfall aussehen lassen. Die Nähe zum Flughafen und die unablässig über den Hof hinwegdonnernden Jets mussten ihn auf die Idee gebracht haben, Said wie einen aus dem Triebwerkkasten gefallenen Flüchtling im Wald zu platzieren.
    Danach hatte er sich um Nils gekümmert. Tollkirschen hatte er ohnehin in seinen Vorräten, da er deren Extrakte auch in seine aphrodisierenden Tees mischte, wie ich herausgefunden hatte, und Rezepte zur Herstellung der tödlichen Hexensalbe ließen sich ohne großen Aufwand im Internet finden.
    Eigentlich hatte ich schon früher vorgehabt, Bastiani auf seine Lüge bezüglich der Tollkirschen anzusprechen, doch dann hatte mich das Date mit Tobler davon abgehalten und später hatte ich es im Trubel der Ereignisse vergessen.
    Mittlerweile waren die Gründe, weswegen er mir seinen Zugang zu den gefährlichen Beeren verschwiegen hatte, offenkundig.
    Einzig bei Stamenkovic hatte die Seeströmung Bastiani einen Strich durch die Rechnung gemacht und den Tennisspieler zurück ans Ufer getrieben. Eine Rechnung, die noch längst nicht beglichen war.
    Bald schon würde der erste Schläger aus der Haft entlassen, wie mir José berichtet hatte. Zwei Jahre, mehr hatten sie ihm nicht aufgebrummt. So mild bestrafte das Schweizer Rechtssystem gewalttätige Schläger. Es war zu befürchten, dass Bastiani bis dahin mit den Zeugen abgerechnet haben wollte, damit er sich dann die Täter vorknöpfen konnte. Ich musste ihn unbedingt stellen, bevor er einen weiteren Mord beging.
    Erneut polterte ich gegen die Tür, doch mir mangelte es an Geduld, noch länger zu warten. Ich bog um die Hausecke und spähte durch eines der Wohnzimmerfenster ins Innere des Bauernhauses. Das Erdgeschoss wirkte verlassen. Ich trat einen Schritt zurück und musterte nachdenklich den Anbau. Was versprach ich mir davon, wenn ich zum zweiten Mal unerlaubt in Bastianis Domizil eindrang? Was, wenn er sich im oberen Stock aufhielt? Mit seinem nächsten Opfer womöglich?
    Ich entschied, dass Vorsicht etwas für Mädchen war, und betrat beherzt den Stall. Überrascht stellte ich fest, dass die Verbindungstür zur Wohnung immer noch unverschlossen war. Jetzt kam es mir zugute, dass ich beim überstürzten Rückzug nach dem letzten Einbruch den Riegel nicht mehr hatte zurückschieben können. Das ersparte mir jetzt nicht nur Zeit, sondern auch das mühsame Herumstochern mit der Ahle.
    Ich drückte die Holztür auf und betrat die Wohnung durch die Vorratskammer.
    Noch wusste ich nicht genau, wonach ich suchte, doch ich hoffte auf einen Hinweis, der Bastiani in direkte Verbindung mit den Morden brachte. Vielleicht einer von Stamenkovics Tennisschlägern und seine Kleidung. Saids Jacke oder sein Handy? Einem Impuls folgend, holte ich mein Telefon hervor, drückte die Nummer, die Said in einer seiner Messages angegeben hatte, und lauschte. Doch alles blieb still.
    Als ich das Wohnzimmer durchquerte, kamen mir die aufgespießten Schmetterlinge an den Wänden noch unheimlicher vor als beim letzten Mal. Rasch ließ ich die Schaukästen hinter mir und warf einen Blick in die Küche. Der Raum war blitzblank geputzt und ordentlich aufgeräumt, am Kühlschrank war mit Magneten ein Kalender befestigt. Daten waren jedoch keine eingetragen. Ich riss das Tiefkühlfach auf und fand nichts als eine angefangene Packung Fischstäbchen und einen Plastikbehälter mit Vanilleeiscreme vor. Keine Tollkirschen. Hätte ja sein können.
    Aber das Haus musste einen Keller haben. Erneut überprüfte ich das Wohnzimmer, sah in der Diele nach und sogar im Vorratsraum. Doch da
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