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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel
Autoren: S Mann
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Die Mischungen bereite ich in der Küche zu …« Er warf mir einen eingeschüchterten Blick zu und beeilte sich dann mit der Schlussfolgerung: »Vor Weihnachten würde ich sagen.«
    »Und seither nicht mehr?«
    »Ich glaube, Beat hält sich manchmal hier auf, aber ich bin oft unterwegs und kann das nicht so genau bezeugen …«
    Verwunderung spiegelte sich in seinem Gesicht, als ich hektisch auf meinem Telefon herumzutippen begann. Ich legte den Finger an die Lippen. Nur um Sekunden verzögert erklang eine arabisch anmutende Melodie aus der Truhe.
    »Saids Handy liegt da drin!«, rief ich aufgeregt und riss an der Kette. Natürlich gab sie keinen Millimeter nach. »Wir müssen das Schloss aufbrechen!«
    »Warten Sie, ich bin gleich zurück«, bedeutete mir Bastiani nach kurzem Überlegen und eilte aus der Scheune.
    Ich war zappelig wie ein Schulkind, dem man seine tägliche Ritalindosis vorenthalten hatte. Endlich hatte ich Saids Handy gefunden! Und wenn mich nicht alles täuschte, würden wir auch gleich auf seine Jacke sowie auf Stamenkovics Habseligkeiten stoßen. Hier hatte also Beat die Besitztümer seiner Opfer gehortet, weil er sie nicht sofort hatte loswerden können.
    Oder war es am Ende gar nicht Beat gewesen? Schlagartig übermannten mich Zweifel. Hatte Bastiani mich auf die falsche Fährte geführt, um von sich abzulenken? Es war auch Bastiani gewesen, der mich darauf hingewiesen hatte, dass Beat hin und wieder den Schuppen aufsuchte und hinterher vergaß, den Schlüssel zurückzulegen. Und hatte der Schlüssel nicht gepasst, weil er gar nicht passen sollte? Damit er eine Gelegenheit hatte, sich aus dem Staub zu machen?
    Wie betäubt starrte ich auf die sanft brummende Tiefkühltruhe, als sich der Eingang plötzlich verdunkelte. Ich fuhr herum. Im Türrahmen stand Bastiani. In den Händen hielt er eine Axt. Sekundenlang starrten wir uns an.
    »Treten Sie zur Seite«, forderte mich Bastiani auf und ich befolgte seine Anweisung wie ferngesteuert, worauf mein Herz endlich den Pumpbetrieb wieder aufnahm und mit einem jähen Japsen auch die Atmung wieder einsetzte.
    Bastiani hielt die Axt verkehrt herum und drosch mit dem Kopf des Werkzeugs immer wieder auf das Schloss ein, doch erst beim fünften oder sechsten Hieb war er erfolgreich. Der Metallverschluss fiel klirrend zu Boden und der Gemüsehändler klappte den Deckel der Truhe auf. Wortlos tauschten wir einen Blick aus.
    Eine bunt gestreifte Kapuzenjacke lag ordentlich zusammengefaltet auf der einen Seite des Behälters, ein Handy war griffbereit darauf platziert. Daneben fanden sich zwei Tennisschläger, eine Sporttasche und diverse Kleidungsstücke, die dem Stil nach einem coolen Gangsterrapper aus der Bronx gehört haben mussten. Ich rief mir Stamenkovics Alter und Herkunft in Erinnerung. Das kam hin.
    Unter den Habseligkeiten der beiden Opfer konnte ich transparente Kunststoffbeutel erkennen, die den gesamten Boden der Kühltruhe bedeckten und mit schwarzen Beeren gefüllt waren. Bastianis Tollkirschen. Eines der Säckchen war aufgerissen und einige Früchte waren herausgekullert. Wie schwarz glänzende Perlen schimmerten sie in der Truhenbeleuchtung.
    Die ungewöhnlichen Einbuchtungen fielen mir erst auf, als ich mich hinunterbeugte. Beklommen griff ich nach Jacke und Handy und reichte beides an Bastiani weiter, bevor ich auch die Sporttasche und die restlichen Klamotten hochhob. Dann war es deutlich zu sehen: Irgendetwas hatte auf den Beuteln gelegen und dabei einen Abdruck hinterlassen, sich regelrecht in die gefrorenen Tollkirschen hineingestanzt. Etwas Warmes und Schweres. Schaudernd blickte ich in die Tiefkühltruhe, auf die Umrisse, die vor meinen Augen immer mehr die Konturen von Saids Körper annahmen.
    »Haben Sie eine Ahnung, weshalb er …« Ich wies auf die Kühltruhe.
    »Ich dachte, er hätte sich gefangen«, begann Bastiani unsicher. »Er hatte eine Arbeit und fand sich allmählich wieder im Leben zurecht. Und er war verliebt, es sah eigentlich gut aus …«
    Der Grund, weshalb er von der Sanduhr- Leitung verstoßen worden war. ›Untragbar‹ sei er dadurch geworden, hatte Bob gesagt.
    »Wissen Sie zufälligerweise, wer der Glückliche ist?«
    Während ich zum Käfer rannte, suchte ich die Nummer der Staatsanwaltschaft heraus. Tobler ging nach zweimaligem Klingeln ran. Ich verzichtete auf einleitendes Geplänkel, gab ihm durch, was er zu tun hatte, betonte, dass es äußerst wichtig war, und brach den Anruf ab, bevor er zu einer
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