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Uferwald

Titel: Uferwald
Autoren: Ulrich Ritzel
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Fensterscheiben des Eastside, brach ab, kehrte zurück und setzte sich blinkend und zuckend fest. Auf dem Gehsteig hielt ein Wagen.
    Isolde ließ sich von ihrem Mann vollends in den Mantel helfen. Das Ehepaar wandte sich zur Tür. Die Tür öffnete sich, ein Polizist trat herein und sah suchend um sich.
     
    M itternacht war vorbei, und mit dem Licht der Straßenlaterne vor dem Haus erlosch auch das Rechteck, das sie durch das Fenster auf die Decke des Schlafzimmerchens geworfen hatte.
    »Wird die Scheuch jetzt als Mörderin verurteilt?«, fragtePuck und drehte sich auf die Seite, um ihn anzusehen, so gut das in der Dunkelheit eben möglich war. »Ich meine, die Izzy?«
    »Isolde?«, fragte Markus Kuttler zurück. »Ein Mord war das wohl kaum.« Er überlegte, ob er jetzt erklären sollte, was einen Mord von einem Totschlag unterschied. Unter besonderer Berücksichtigung der subjektiven Merkmale... lieber nicht. »Vielleicht nicht einmal Totschlag, sondern Körperverletzung mit Todesfolge. Wahrscheinlich kommt sie nicht einmal in Untersuchungshaft.«
    »Die Izzy hat immer geglaubt, dass sie und der Til...« Puck sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Dass sie füreinander bestimmt sind?«, ergänzte Kuttler. »In gewisser Weise waren sie das ja auch. Die ganze Zeit schon stelle ich mir vor, wie Isolde da in dem Daimler von ihrem Vater sitzt, wartet, hofft, dass Tilman herauskommt, dass sie noch einmal mit ihm reden kann, und dann kommt Tilman heraus, vielleicht steigt sie aus dem Wagen und ruft ihn, aber das Arschloch klettert auf das Rad und fährt nicht nach Hause, sondern in die andere Richtung, und sie fährt ihm nach und bekommt einen Zorn und will ihm noch eins mitgeben, dass er ja schnell genug zu der anderen kommt...« Er unterbrach sich und drehte den Kopf zu Puck. »Woher hat sie eigentlich gewusst, dass Solveig in Thalfingen wohnt?«
    »Luzie hat es einmal gesagt. Til war nicht dabei oder kam später, und der Bilch fragte, ob die schöne Frau von neulich nicht wieder käme, und Luzie hat geantwortet, dass er sich diese Tusse aus dem Kopf schlagen solle, die lasse sich in Thalfingen von einem alten geilen Bock aushalten.«
    »Ja so.« Kuttler schloss die Augen. Eine Mütze Schlaf.
    »Du.« Langsam öffnete er die Augen wieder. »Was wird aus den andern?«
    »Weiß nicht«, antwortete Kuttler. »Ein paar Jahre für Wanja und Brötchen. Bilch hat vielleicht noch eine Gnadenfrist. Obwohl – mit dem Überfall hängen ein paar Dinge zusammen, die mir nicht ganz klar sind...«
    »Was ist dir da nicht klar?«
    »Das Geld. Die Personenbeschreibung. Die Ohrfeigen, die er kassiert hat. Das waren Ohrfeigen von keinen schlechten Eltern.«
    Puck kicherte. »Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Und dieser Keull?«
    »Der wird in ein paar Stunden entlassen. Die Erpressung ist verjährt. Was bleibt, wird ein jämmerlicher Auftritt sein als Zeuge vor Gericht, wenn gegen Dannecker wegen seiner Unterschlagungen verhandelt wird. Was tut’s? Er hat Luzie. Und nach ihr werden andere Luzies kommen.«
    »Warum hat Solveig sich umgebracht?«
    Kuttler schwieg. »Ich bin schuld«, sagte er. »Ich bin wie ein Elefant in ihren Gemüseladen getrampelt.«
    »Das ist mir jetzt neu«, sagte Puck. »Wie ein Trampeltier bist du mir bisher nicht vorgekommen. Außerdem ist das noch kein Grund, sich umzubringen.«
    Kuttler überlegte. »Dannecker war in der Neujahrsnacht bei Solveig«, sagte er schließlich. »Also hat sie auch gewusst, dass er es gar nicht gewesen sein konnte. Folglich musste sie annehmen, dass Keull den Tilman umgebracht hat, nur um Dannecker weiter abkassieren zu können.«
    »Und sie hat die ganzen Jahre mit der Vorstellung gelebt, dass sie der Lockvogel gewesen ist«, griff Puck den Faden auf. »Oder der Anlass... die ganzen Jahre hat sie damit gelebt, bis du gekommen bist.«
    Ja, dachte Kuttler. Bis ich gekommen bin. Und es vergeigt habe. Wenn ich sie zum Reden gebracht hätte...
    »Nur eine Frage noch. Woher hast du gewusst, dass es in Wahrheit die Izzy war?«
    »Du hast mich drauf gebracht«, antwortete Kuttler. »Weil du sie manchmal bei ihrem Mädchennamen nennst: die Scheuch, sagst du dann. In Tilmans Tagebuch hätte man das meiste dazu schon nachlesen können. Dass Isoldes Vater einen Daimler fährt, dass er krank war und dass ihr Renault vor Weihnachten schon bei dem Kroaten in der Werkstatt stand...«
    »Izzys Vater ist ein paar Monate später gestorben«, sagte Puck. »Ich glaube, er hatte Krebs. Und du meinst, sie
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