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Ufer von Morgen

Ufer von Morgen

Titel: Ufer von Morgen
Autoren: Robert Silverberg
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den Sallat antun, und ich gehöre nicht einmal zu euch!«
    »Du hast Glück. Wir sind zu müde, um Haß zu spüren. Und deshalb töten uns die Krozni. Du hast es gut, daß du hassen kannst.«
    »Ja«, sagte er, »gut habe ich es.«
    Aber nur in gewisser Hinsicht habe ich es gut, dachte er bei sich. Er starrte in die Dunkelheit hinauf, streichelte sanft Maryas warme Hand. Sie lächelte im Schlaf.
    Er würde in dieser Nacht keinen Schlaf finden.
    Es könnte eigentlich schrecklich erheiternd sein. Da lag er nun, Edwin Delaunay, Komponist, Musiktheoretiker, zeitweise Klavierlehrer, der entschlossen ein bequemes Leben auf der Erde hinter sich gelassen hatte, weil er sich nicht mehr für diesen verfallenden, verblödenden Planeten interessierte, und er war in eine fremde Welt gekommen und hatte so sehr Anteil genommen am Kampf zweier nichtmenschlicher Rassen, daß er keinen Schlaf finden konnte.
    Er versuchte, die einzelnen Fäden des Geschehens zu entwirren und sich über seine Gefühle klarzuwerden. Er haßte die Krozni, wie er nur je die Erde gehaßt hatte, und gleichzeitig fühlte er sich von den Sallat angezogen. Seine eigene Gesellschaft hatte ihn nie angezogen. Er hatte die Erde wegen des endlosen alten Trotts verlassen, wegen der Einförmigkeit, wegen der abgedroschenen Phrasen, die ihn langweilten.
    Hast du es auch warm genug?
    Man fühlt sich so gut wie noch nie!
    Sei dir lieber ganz sicher!
    Sein Verstand sagte ihm damals, er verlasse die Erde, weil die Künste verfielen. Die Milchstraße war der Erde untenan, es herrschte Frieden, und es gab keine Herausforderungen mehr. Die Erde hatte sich der letzten Herausforderung, sich selbst, nicht gestellt und war rasch in einen immer gleichen Trott verfallen. Es wurden keine neuen Kolonien mehr gegründet, keine neuen wissenschaftlichen Funde mehr bekannt. Man schrieb keine großen Romane mehr, komponierte keine Musik mehr, die auch nur den geringsten Wert gehabt hätte, malte keine Bilder mehr, die auch nur einen Blick wert gewesen wären. Er hatte seine Sachen gepackt und war abgereist.
    Er blickte auf die schlafende Marya nieder und lächelte. Hier bei den Sallat hatte er endlich Interesse gespürt. Auf der Erde hatte er sich immer zurückgehalten. Hier war er mit dem Leben der Sallat verbunden, hier liebte er zum ersten Mal und haßte aus diesem Grund auch zum ersten Mal.
    Er ging ans Fenster und blickte auf das schlummernde Dorf hinaus. Er gehörte hierher. Seine musikalischen Studien, die die meisten Menschen auf der Erde als unwichtig angesehen hatten, galten bei den Sallat viel, und sie hatten ihn Blicke in ihre eigene Musik tun lassen, die fremd, schwierig, endlos fesselnd war. Und er fühlte sich von ihrem würdevollen, traditionsbewußten Leben angezogen. Ja, er gehörte hierher.
    Aber irgendwo da draußen waren die Krozni.
    Die Trauerfeier vor Demets Tür war nicht die letzte gewesen. Die Sallat mußten hilflos erleben, wie die Krozni in den nächsten Wochen langsam näher kamen.
    Die Sallat versuchten weiterzuleben, als wäre nichts geschehen. Delaunay fuhr fort, die Musik der Sallat zu erforschen, und mühte sich ab, ihre Vierteltontechnik zu beherrschen, die einen zum Wahnsinn treiben konnte. Seine Gedanken beschäftigten sich jedoch mit dem anscheinend endlosen Strom von Körpern, die von den Grenzen zurückgebracht wurden. Und die Grenzen selbst kamen auch noch näher.
    Delaunay nahm an jedem Begräbnis teil und ließ vor den trauernden Eltern das Salz fallen, wie es Sitte war. Und er wartete ab und fragte sich, wie lange es dauern würde, bis die Krozni da wären.
    »Ich ziehe mich immer noch zurück«, sagte er zu Marya, die ihn mit großen, verständnislosen Augen ansah. »Ich sollte draußen sein und die Krozni zurückschlagen, aber ich drücke mich, wie ich es auf der Erde gemacht habe. Nur hier dürfte ich es nicht so machen, was?«
    Sie sagte nichts.
    Demet organisierte die Verteidigung, der alte Demet, der schwer an seinen Jahren zu tragen hatte. Delaunay bewunderte den alten Mann. Demet ist noch ein Mann der Tat, dachte er. Er ging zu Demet.
    Demet betrachtete eine Karte der Kampfzone und zog mit einem Stift Kreise. »Sie haben eine unglaubliche Strategie«, sagte der alte Mann. »Ihre Truppen tauchen aus dem Nichts auf, schlagen zu, verschwinden, tauchen anderswo wieder auf. Ich begreife nicht, wie sie so rasch lernen konnten.«
    Er blickte zu Delaunay auf, und Delaunay starrte in die rotgeränderten Augen von Demet. »Sie werden uns
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