Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition)
Autoren: Nora Hamilton
Vom Netzwerk:
leuchteten. Doch ihre Augen waren glanzlos, das Gesicht bleich.
    Obwohl die Sonne schon hoch am Himmel stand, lag Joan im Bett. Ihre schmale, zarte Gestalt verschwand beinahe in dem Kissenberg, den Zelda hinter ihrem Rücken aufgetürmt hatte.
    »Möchtest du eine heiße Milch mit Honig? Oder soll ich dir etwas von dem frischen Haselnussgebäck aus der Küche holen?«
    »Danke, Zelda, ich brauche nichts«, erwiderte Joan mit dünner Stimme und schloss die Augen.
    »Was tut dir weh, Joan? Meinst du nicht, dass wir nach dem Doktor schicken sollten oder wenigstens nach der alten Margaret? Sie hat bestimmt einen Kräuter-trunk, der dir wieder auf die Beine hilft.«
    Joan öffnete die Augen und richtete sich ein wenig auf. Sie schob die Hand ihrer Schwester behutsam von ihrem Arm und sagte mit einer Stimme, die ein leichtes Zittern nicht verbergen konnte: »Zelda, wirklich, es ist nichts. Mir geht es gut. Ich habe nirgendwo Schmerzen. Ich möchte einfach nur ein wenig allein sein und nachdenken.«
    »Aber das wolltest du doch noch nie! «, rief Zelda verständnislos.»Immer warst du die Erste, die am Morgen aufstand, sobald der erste Hahn krähte. Auch noch nie hattest du das Bedürfnis, den ganzen Tag im Bett zu verbringen und dem lieben Gott den Tag zu stehlen wie ein Vagabund.«
    »Ich war schon auf«, erwiderte Joan, noch immer mit diesem seltsamen, unfrohen Lächeln. »Ich habe bereits die Hühner gefüttert und der Wäscherin die Wäsche herausgesucht. Ich habe der Köchin Anweisungen für das Mittagsmahl gegeben und der Magd für den Einkauf. Alle meine Aufgaben sind erledigt. Mein Stickrahmen liegt hier neben mir, und ihm ist es egal, ob ich im Bett oder auf einem Stuhl am Fenster die Handtücher mit den Initialen der McLains besticke. Im Kloster werde ich einen neuen Vornamen bekommen, also ist auch diese Tätigkeit im Grunde überflüssig.«
    »Das Kloster«, wiederholte Zelda, und ihr Gesicht wurde schuldbewusst. »Es ist das Kloster, nicht wahr, das dir auf der Seele liegt. Du möchtest nicht als Nonne leben, stimmt es? Du möchtest lieber hier bleiben, auf den McLain-Manors.«
    Sie sprang auf. »Ich werde mit Vater reden. Es muss doch möglich sein, dass du hier bleiben kannst.«
    »Nein, Zelda, mach dir diese Mühe nicht. Unser Vater hat gute und richtige Entscheidungen getroffen. Wenn du Allistair Kingsleys Eheweib wirst, bin ich in einem Kloster am besten aufgehoben.«
    »Und wenn nicht?«
    »Was meinst du?«
    »Und wenn ich Kingsley nicht heirate? Wirst du dann bleiben und wieder fröhlich sein?«
    Joan seufzte und schloss die Lider. Zelda sah, wie ihre Schwester mehrmals heftig schluckte. Doch dann öffnetesie die Augen, und ihr Blick, der auf Zelda ruhte, war fest, klar und entschlossen.
    »Ich habe diesen Krieg so satt«, sagte Joan. »Meine Tränen reichen nicht aus, um dieses Unglück zu beweinen. Einen ganzen See könnte man damit füllen. Jeder Mann, jedes Stück Vieh, jedes Fleckchen Ackerland bedauert mich. Ich bin froh, dass du mit deiner Heirat den Krieg beendest.«
    »Vorausgesetzt, die Kingsleys stimmen zu!«, warf Zelda ein. Sie ging zum Fenster, stieß die hölzernen Läden weit auf und ließ das Sonnenlicht hereinfluten. Dann beugte sie sich weit vor und sah auf den Gutshof hinunter.
    Gerade sattelte ein Knecht sein Pferd.
    »Guten Morgen, Walther«, rief Zelda hinunter, und der Knecht erwiderte den Gruß mit einem Lachen und einem Winken. »Reitest du zu den Kingsley-Manors?«
    »Ja, Mylady Zelda.«
    Er klopfte auf die Satteltasche, die er in der Hand hielt und nun über den Pferderücken warf. »Hier drinnen ist das Schreiben von Eurem Vater an Lord Thomas Kingsley. Ich hoffe, dass der Krieg nun bald zu Ende sein wird! «
    »Ja, wir alle sind froh darüber, aber noch ist es nicht so weit. Vielleicht hat Lord Thomas mit seinem ältesten Sohn andere Pläne, als ihn ausgerechnet an die Tochter seines ärgsten Feindes zu verheiraten.«
    »Oh, Ihr könnt unbesorgt sein, Lady Zelda. Auch die Kingsleys sind des Krieges müde. Erst kürzlich habe ich in der Schenke gehört, wie sie darüber sprachen. Auch von Euch, Mylady, war dabei die Rede.«
    »So? Und was erzählt man sich über mich?«, fragte Zelda und beugte sich noch ein bisschen weiter aus dem Fenster.
    Der Knecht lächelte verlegen. »Ein Vollweib haben sie Euch geheißen, die Kingsley-Leute. Eine, die wohl in der Lage ist, ein Gut zu bewirtschaften. Eine, die arbeiten kann wie ein Mann, aber trotzdem so sehr Frau ist wie keine andere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher