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Überm Rauschen: Roman (German Edition)

Überm Rauschen: Roman (German Edition)

Titel: Überm Rauschen: Roman (German Edition)
Autoren: Norbert Scheuer
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Zähne, an einem Schneidezahn war eine kleine Ecke herausgebrochen, seine großen strahlenden Augen. Ich kann mir denken, was er damit meinte. Kurz bevor die Kassette zu Ende war und er sie mir schließlich schickte, versicherte er, dass er mich anrufen werde, wenn es gelinge. Aber er hat mich nie angerufen und nur noch diese letzte Kassette geschickt.
    In der Gaststätte grölte Zehner, dass er bedient werden wolle. Er stand am Glücksspielautomat. Alma sagte, dass er immer warte, bis die Gäste ihr Geld verspielt hätten, sich dann an den Automat stelle und ihn weiter mit Geldstücken füttere, bis die Maschine alles ausspucke. «Der Aufsteller will den Automaten abholen, weil es sich für ihn nicht rentiert, Zehner holt immer alles raus.» Sie stellte mir Kaffee auf den Küchentisch und setzte sich zu mir.
    Die Schwestern kehrten bald darauf vom Stift zurück, setzten sich zu uns und baten Alma, frischen Kaffee aufzubrühen. Die Jüngere holte einen kleinen Spiegel aus ihrer Handtasche, richtete ihre Haare und trug Lippenstift auf. Claudia sagte, dass Mutter sie zuerst gar nicht erkannt habe, fortwährend habe sie wieder nur von ihrer ersten, ach so großen Liebe Valentin gesprochen. Fotografien von Valentin, Alma und Hermann hätten in ihrem Zimmer auf der Kommode gestanden. Alma sei die Einzige, an die Mutter sich wirklich erinnere und nach der sie auch gefragt habe, auch an Vater habe sie sich nicht mehr erinnert. Dann wollten die Schwestern wissen, was mit Hermann sei. In diesem Moment betraten Märktler den Gastraum. Sie redeten darüber, dass es sich kaum noch lohne, den Markt zu besuchen, immer weniger Stände, weniger Kunden, nur Billigkram, den man heutzutage günstiger in jedem Ramschgeschäft in der Stadt kaufen könne.
    Nachdem Alma die Märktler bedient hatte, kam sie in die Küche zurück. Der Vieruhrzug war eben hinter der Gaststätte im Stiftbergtunnel verschwunden. Die Schwestern fragten mich, was mit Hermann sei, ob er wenigstens etwas gesagt habe. Die Jüngere fragte sich, wie man nur so stur sein könne … Während wir noch redeten, schlurfte Reese durch die Küche, machte ihre Bemerkung über die Pünktlichkeit des Vieruhrzuges, blieb mitten in der Küche stehen, musterte uns der Reihe nach mit ihren verschmitzten Äuglein und zog dann einen grün schillernden Hahnenschweif aus ihrer Handtasche: «Für Hermann, für die Köderfliegen», sagte sie stolz. Die Schwestern machten Reese wieder am Küchentisch Platz. Auch Alma setzte sich nun zu uns, stippte ein halbes Brötchen in ihren Kaffee, biss ab, trank dann mit abgewinkeltem kleinen Finger einen Schluck und begann zu erzählen: «Letzten Monat, an einem Sonntagmorgen, als ich nach der Kirche wie immer die Gaststätte öffnen wollte, ist Hermann in seinem Zimmer geblieben, so hat das angefangen.»
    «Hattet ihr Krach?», wollte die ältere Schwester schnippisch wissen. Alma schüttelte den Kopf, sie schien einen Moment zu überlegen, ob sie weiterreden sollte, dann sagte sie: «Die Gäste standen vor der Tür, trommelten dagegen und riefen, dass wir aufmachen sollten. Schließlich habe ich geöffnet, weil wir die Einnahmen doch brauchen. Später kam Hermann runter, betrank sich mit Schnaps, redete von diesem alten Fisch und las aus den Aufzeichnungen eures Vaters vor. Keiner hat ihn verstanden oder wusste, was er meinte. Sie lachten ihn aus. Dann beschimpfte Hermann die Gäste, wegen des Gebrülls sind immer mehr Leute reingekommen, die das alles nur für ein Spektakel hielten und sich über Hermann lustig machten. Die machten alle nur Witze über ihn. Danach ist er hochgegangen und fast nur noch im Zimmer geblieben. Er hat immerzu den Rauschen hören wollen, als gäbe es da eine Antwort drin. Wenn ich an der Tür lauschte, hörte ich ihn Selbstgespräche führen, mit Magda reden, aber die war gar nicht da … Vor einigen Wochen hat er sich Vorwürfe gemacht, dass er sie mit zum Eisfischen genommen hatte, ist am Fluss entlanggelaufen, hat nach ihr gerufen – auch nachdem man sie längst gefunden hatte, suchte er noch nach ihr. Ich habe ihm gesagt, dass sie selbst Schuld gehabt hat, dass er doch nichts dafür könne. Aber er machte sich Vorwürfe, redete davon, dass dieser alte Fisch sie verschluckt habe und dass er ihn fangen müsse, als würde die Holländerin davon wieder lebendig.»
    Alma trank einen Schluck Kaffee und erzählte weiter: «Ich hätte viel früher den Arzt holen müssen – aber Hermann wollte ja nicht. Sein ganzes Zimmer
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