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Überfall nach Ladenschluß

Überfall nach Ladenschluß

Titel: Überfall nach Ladenschluß
Autoren: Stefan Wolf
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wieder.
    Hundegebell!
    Nickis
Löwenstimme war ganz nahe.
    Dem Roten
stockte der Fuß.
    „Toom!“ Sie
schrie aus voller Lunge. „Tom, Hilfe! Hier ist ein Verbrecher.“
    Der Wald
schien zu beben. Äste krachten. Ein Rhinozeros (Nashorn) joggte durch
die Büsche und machte jetzt Endspurt. Das war Tom.
    Nicki, von
der Leine befreit, stürmte mit Eleganz. Pfeilschnell sauste er über den
Trampelpfad. Es hätte Toms Befehl — „Nicki, such Locke!“ — nicht bedurft. Der
affenschlaue Vierbeiner hatte kapiert, wie Lockes Stimme zu deuten war. Sie
brauchte Hilfe. Vier Reißzähne, zum Beispiel, jeder so lang wie ein Daumen.
    Trotz
Windhundtempos kam Nicki zu spät.
    Der Rote
hatte begriffen, daß es für ihn jetzt ums Ganze ging. Er warf sich herum,
sprang zu der Karre, verlor die Schlangenledertasche, schnellte hinters Lenkrad
und startete. Mit kreischenden Reifen sauste er zur Ausfahrt.
    Locke
starrte aufs Nummernschild. Erleichterung strömte ihr durch alle Glieder, was
aber zur Folge hatte, daß ihr der Blick verwackelte — wie das Bild eines
Fotografen, der im Zentrum eines Erdbebens steht.
    Immerhin —
sie merkte sich Buchstaben und Ziffern. Dann verschwand der Wagen, und Nicki
umkreiste sie mit hohen Sprüngen, freudig und ein bißchen verblüfft, weil er
falschen Alarm vom lieben Frauchen nicht gewöhnt war.
    Mit
gesträubtem Nackenhaar stakte er dann zu der Bewußtlosen und beschnupperte ihre
Beine.
    Locke
stützte sich auf den Tisch. Tom stürmte heran.
    „Was ist
los?“ keuchte er.
    „Er ist
weg. Entkommen.“ Sie deutete zur Straße. „Es war der Rote. Ja, der Rooote!“
    Tom
entdeckte die Frau. „Ist die... Hat er sie umgebracht?“
    „Ich
glaube, sie ist nur bewußtlos.“
    Tom bückte
sich, hob sie hoch und sah sich nach weicher Unterlage um. Die Frau wurde ins
Gras gelegt. In ihr schmales Gesicht kehrte die Farbe zurück, und die Lider
zuckten.
    „Gleich
kommt sie zu sich“, sagte Locke. „Brauchst ihr nicht ins Gesicht zu klatschen.
Auch Mund-zu-Mund-Beatmung ist nicht nötig. Da!“
    Die Frau
schlug die Augen auf. Ein leerer Blick strich umher. Die Sonne blendete. Die
Frau blinzelte. Bevor die Erinnerung kam — und mit ihr der Schrecken, hockte
sich Locke neben sie.
    „Sie
brauchen keine Angst mehr zu haben. Der Verbrecher ist weg. Geflohen. Hat sogar
ihre Tasche zurückgelassen.“
    Sie hieß
Sabine Habeschaden. Erst brach sie in Tränen aus. Aber dann beruhigte sie sich.
Sie konnte erzählen. Sie wohnte in der Stadt, war seit kurzem mit einem
Fabrikanten verheiratet; und er — frisch verliebt und spendabel — hatte ihr
heute das rote Coupé geschenkt, mit dem sie seit Mittag unterwegs war. Auf
Spritztour durch die Landschaft. Hier hatte sie rasten wollen — eigentlich nur,
um die Lidschatten zu erneuern.
    „Der
Wagen... von diesem Kerl... ja, der stand dort. Ich habe nicht weiter drauf
geachtet“, berichtete sie. „Es saß jemand drin. Ja. Wahrscheinlich hat er mich
im Rückspiegel beobachtet. Ich hatte mich über die Ablage gebeugt, weil ich
Papiertücher suchte. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Ich sah die rote
Maske über mir, und schon hat er mich rausgezerrt. Ich schrie, glaube ich. Dann
wurde ich so gepackt, daß ich dachte: Nun erdrosselt er dich. Mir... war die
Luft abgeschnürt. Dann weiß ich nichts mehr.“
    „Ich hörte
Ihren Hilferuf und kam her — unmittelbar bevor Sie ohnmächtig wurden.“ Locke
rückte an ihrem Hut. „Er hat kein Steckbriefgesicht, dieser Kerl. Man kann’s
nicht richtig beschreiben. Aber wiedererkennen würde ich ihn sofort.“
    „Wenn die
Polizei nach deinen Angaben ein Phantombild zusammenkleistert“, sagte Tom,
„dann hat er ein Steckbriefgesicht, der Rote. Ein Jammer, daß ich noch so weit
weg war.“
    „Ein Glück,
wenn ich ‘s mir richtig überlege“, sagte Locke. „Vom Roten weiß man doch, daß
er bewaffnet ist — und schießt. Wenn er nun auf dich oder Nicki geschossen
hätte...“ Sie schauderte.
    „Jedenfalls
müssen wir zur Polizei“, fiel Tom ein. „Können Sie fahren, Frau Habeschaden.“
    Sie meinte,
sie sei wieder fit, was zwar stark übertrieben war — immerhin konnte sie mit
zitternden Fingern das Lenkrad halten, als alle — samt der eingesammelten
Beerenschüsseln und des Henkelkorbes — im Wagen waren: Tom auf dem Nebensitz,
Locke und Nicki im Fond, wo sich der Vierbeiner gähnend ausstreckte und den
Schädel auf Lockes Schoß legte. Ihr blieb ein kleines, ein sehr
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