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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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erkennen war.
    »Was bringst du mir den Kerl dreckig und stinkend hier herein!« schnarrte er den vierschrötigen Rauhreiter an. »Du hättest ihm erst ein paar Kübel Wasser übergießen können. Laß jetzt«, fügte er hinzu, »wir werden die Angelegenheit möglichst kurz machen.« Er betrachtete den Dakota wie ein Tier, das auf dem Markt taxiert wird. »Du scheinst ziemlich krank zu sein, Schwindsucht oder etwas Ähnliches.« Roach gab sich keine Mühe, seine Befriedigung darüber zu verbergen. »Der Feldscher meinte jedenfalls Schwindsucht. – Es bestehen in Washington keine Bedenken mehr, dich zu entlassen, wenn du zur Vernunft gekommen bist und unterschreibst, daß du dich widerstandslos auf die Reservation begeben wirst.« Roach spielte mit einem Schriftstück. »Nun, wie steht’s? Hast du dir die Sache überlegt?«
    »Daß ich mich selbst auf die Reservation begeben werde?«
    »Ja, natürlich. Für deinen Stamm brauchst du nicht mehr zu unterschreiben. Der ist längst dort.«
    »Ich begebe mich ohne Widerstand auf die Reservation.«
    »Famos. Was doch so ein paar Monde im Keller ausmachen können! Ein ganz anderer Mensch geworden!« Roach schob dem Dakota das Schriftstück hin. »Hier! Unterzeichne!«
    Der Indianer hatte in der Zeit, in der er viel mit Weißen umgegangen war, lesen gelernt. Er studierte sorgfältig die Sätze, die er unterschreiben sollte. Sie enthielten tatsächlich nichts anderes, als was Roach gesagt hatte. Der Dakota unterschrieb im Stehen.
    »Deine Waffen bekommst du nicht mehr. Du wirst jetzt aus einem Wilden zu einem zivilisierten Menschen werden. Morgen früh geht die Reise los. Tobias hat einen Brief nach Fort Robinson zu bringen, er kann dich mitnehmen. Dein Gaul ist dir wiedergeschenkt, die Bestie ist doch nicht zu gebrauchen. Und sieh zu, daß du uns auch das andere Raubtier fortschaffst, den schwarzen Wolf, der die Gegend unsicher macht. Das soll dein Hund sein?!«
    Der Dakota zuckte die Achseln.
    Roach sah sich um. »Wo ist denn Tobias?« fragte er die Anwesenden. »Es war ihm befohlen zu kommen.«
    Die Tür tat sich auf, und der Gesuchte trat ein.
    »Aha, Tobias! Hier ist dein Schützling. Er geht auf die Reservation. Du nimmst ihn morgen mit. Heute nacht kann er mit dir im Mannschaftshaus schlafen.«
    »Hau.«
    Ohne ein weiteres Wort verließen die beiden Indianer den Raum.
    Draußen im Hof war es dämmrig, der Abend brach schon herein. Ein paar umstehende Soldaten und Rauhreiter schauten mit unverhohlener Neugier nach dem entlassenen Gefangenen, und dieser hörte ihre Reden.
    »Kein Kunststück, den jetzt freizulassen. Dem sieht jeder an, daß er’s nicht mehr lange macht.«
    »Verdient hat er nicht, daß er überhaupt frei wird. Ich hab noch nicht vergessen, wie er den Leutnant Warner im Finstern niedergestochen hat.«
    Der Dakota unterdrückte seinen Husten.
    Tobias führte ihn in das Mannschaftshaus. Zwei Petroleumlampen erleuchteten matt den düsteren Raum. Der Delaware kramte an seinem Schlafplatz in der Ecke. Er gab dem Dakota von seinem Pemmikan, und ein flüchtiges Lächeln glitt über Tokei-ihtos Züge, als er seine alte Pfeife zurückerhielt.
    Die Mannschaften fanden sich am Abend schwatzend, rauchend und spielend in dem Blockhaus zusammen. Die meisten beachteten die beiden Indianer gar nicht, aber aus einer Gruppe alter Mannschaften, die die erbitterten Kämpfe um die Station noch mitgemacht hatten, flogen böse Blicke und feindselige Bemerkungen herüber. »Was soll das stinkende Schwein hier bei uns?«
    »Vielleicht erzählt er uns mal, wie er Georg und Mike und die anderen ermordet hat!«
    »Nehmt ihm doch das Feuerzeug weg, sonst fliegen wir heute nacht noch einmal in die Luft!«
    Der Dakota ließ sich nicht anmerken, ob er verstanden habe. Der Delaware wollte einen Zusammenstoß, bei dem der entlassene Gefangene gelyncht werden konnte, vermeiden. »Gehen wir zu den Pferden!« schlug er vor.
    Der Dakota erhob sich rasch, und die beiden Indianer verließen das Haus. Die Wache am Tor ließ Tobias mit seinem Begleiter durch. Vor dem Tor war eine Koppel, in der einige Tiere das braune Wintergras weideten. Nur ein falber Hengst stand mit gesenktem Kopf, ohne zu fressen. Der Dakota lockte leise. Der magere Falbe, dessen Fell die Spuren vieler Mißhandlungen zeigte, hob den Kopf, spitzte die Ohren und war dann mit wenigen Galoppsprüngen an der Umzäunung. Er legte die weichen Nüstern an die Wange des einzigen Reiters, den er je auf seinem Rücken geduldet hatte,
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