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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Milahanska gestanden?« fragte Tokei-ihto ihn.
    »Es gibt keine Zelte der Ponka mehr«, antwortete der junge Indianer bitter. »Der Geist der Krankheit, die uns die weißen Männer gebracht haben, der Hunger und die Pfeile und Kugeln der Dakota haben unsere Krieger getötet. Die letzten von uns sind auf eine Reservation gegangen. Ich bin allein auf der Prärie geblieben und habe mit einem weißen Mann zusammen Biber gefangen.«
    »Deine Schwester Mongschongschah lebt bei uns. Willst du nicht auch in unsere Zelte der Bärenbande kommen und mit uns gefleckte Büffel züchten und Kornfrucht bauen?«
    »Mais?«
    »Ja, gleich dem Mais.«
    »In der Reservation?«
    »Nein, frei auf unserem eigenen Land. Hier ist die Erde fruchtbar.« Tokei-ihto schaute über die saftiggrünen Wiesen und die roterdigen Hügel. »Dann brauchen wir nicht zu hungern und einander nicht zu töten.«
    »Das ist gut, das will ich.«
    »Die Ponka gehören zu dem großen Stamm der Sioux, zu dem auch die Dakota gehören. Wir waren immer Brüder, aber nun wissen wir auch, daß wir es sind. Hau. Mein junger Bruder kann vorauslaufen zu den Waldbergen und die Nachricht überbringen, daß Tokei-ihto und Donner vom Berge mit Untschida bald bei den Zelten sein werden.«
    Schudegatscha wurde von seinen Fesseln befreit und machte sich auf den Weg. Geschwind rannte er in das Tal hinunter, und die beiden Häuptlinge auf der Hügelkuppe konnten beobachten, wie er über den Strom schwamm und dann die nördliche Prärie gewann.
    Tokei-ihto blickte ihm nach. Jenseits des Tales, in dem die Morgennebel wallten, und jenseits der weiten, welligen Prärie stieg der Bergstock am Horizont auf. Dunkel erschien er; er war bewaldet. Dorthin zu ziehen hatte er seinen Zelten geraten. Dort standen sie jetzt, die Tipi der Bärenbande, irgendwo zwischen Wiese und Wald, an einem klaren Bach. Die Lederwände waren schon aufgeschlagen, die Feuer flackerten und wärmten die Morgenmahlzeit. Die Pferde begannen zu grasen, hungrig strichen die Hunde umher.
    Über Tokei-ihtos Züge ging ein Schimmer der Freude auf die Heimkehr. Kein Feind stand mehr zwischen ihm und den Seinen. Kein Watschitschun kümmerte sich mehr um das kleine Häuflein, dessen Dasein und Schicksal jenseits des Missouri niemandem bekannt war. Im Verborgenen konnten die Söhne der Großen Bärin einen neuen Weg beginnen, um eines Tages dem großen Stamme der Dakota, den sie in Knechtschaft hatten zurücklassen müssen, wieder zu begegnen.
    Fest und tapfer erklang das Lied Untschidas, die mit den Häuptlingen den Heimweg zu den Zelten antrat.
     
     
     
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