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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder
Autoren: Ernest Hemingway
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der Colonel.
    Er und der Barmixer machten ihren kleinen Witz hierüber, weil Seine Exzellenz Pacciardi Verteidungsminister der Italienischen Republik war. Er war ebenso alt wie der Colonel und hatte im Ersten Weltkrieg sehr tapfer gekämpft und hatte auch in Spanien als Bataillonskommandeur gekämpft, wo der Colonel, der als Beobachter dort war, ihn kennengelernt hatte. Der Ernst, mit dem Seine Exzellenz Pacciardi den Posten des Verteidigungsministers eines der Verteidigung unfähigen Landes übernommen hatte, war ein Band zwischen dem Colonel und dem Barmixer. Beide waren sie Männer der Wirklichkeit, und die Vorstellung von Seiner Exzellenz Pacciardi, wie er die italienische Republik verteidigte, regte ihre Phantasie an.
    «Es ist irgendwie komisch da oben», sagte der Colonel, «aber mir ist es egal.»
    «Wir müssen Seine Exzellenz Pacciardi mechanisieren», sagte der Barmixer, «und ihn mit Atombomben beliefern.»
    «Ich habe drei hinten im Auto», sagte der Colonel. «Das neue Modell mit allem Zubehör. Aber wir können ihn nicht unbewaffnet lassen. Wir müssen ihn mit Wurstvergiftung und Milzbrand beliefern.»
    «Wir dürfen Seine Exzellenz Pacciardi nicht im Stich lassen», sagte der Barmixer. «Lieber einen Tag als Löwe leben als hundert Jahre als Schaf.»
    «Lieber aufrecht sterben als auf den Knien rutschen und leben», sagte der Colonel. «Obschon du dich in vielen Orten lieber verflucht schnell auf deinen Bauch begibst, wenn du am Leben bleiben willst.»
    «Colonel, sagen Sie nichts Umstürzlerisches.»
    «Wir werden sie mit unseren bloßen Händen erwürgen», sagte der Colonel. «Eine Million Männer werden über Nacht die Waffen ergreifen.»
    «Wessen Waffen?»
    «Für all das wird gesorgt werden», sagte der Colonel. «Es ist nur eine Phase im Hauptfilm.»
    In dem Augenblick kam der Fahrer zur Tür herein. Dem Colonel wurde bewußt, daß er, während sie witzelten, die Tür nicht im Auge behalten hatte, und er ärgerte sich – immer – über jede Nachlässigkeit und jedes außerachtlassen von Sicherheitsmaßnahmen.
    «Was, zum Teufel, haben Sie denn gemacht, Jackson? Trinken Sie was?»
    «Nein, danke, Sir.»
    Alberner Laffe, dachte der Colonel. Aber ich werde ihn lieber nicht weiter aufziehen, wies er sich selbst zurecht.
    «Wir gehen sofort», sagte der Colonel. «Ich hab versucht, hier bei meinem Freund Italienisch zu lernen.» Er drehte sich nach den Mailänder Schiebern um, aber sie waren weg.
    Ich werde furchtbar langsam, dachte er. Jeder kann mich jetzt einfach überrumpeln. Vielleicht sogar Seine Exzellenz Pacciardi.
    «Wieviel schulde ich Ihnen?» fragte er den Barmixer kurz.
    Der Barmixer sagte es ihm und blickte ihn mit seinen weisen italienischen Augen an, die jetzt nicht vergnügt lächelten, obschon die Lachfältchen, wo sie von den Augenwinkeln ausstrahlten, scharf eingezeichnet waren. Hoffentlich ist nichts Ernsthaftes mit ihm los, dachte der Barmixer. Ich hoffe zu Gott oder irgendwem sonst, daß es weiter nichts Schlimmes ist.
    «Auf Wiedersehen, Colonel», sagte er.
    «Ciao», sagte der Colonel. «Jackson, wir gehen die lange Auffahrt runter und vom Eingang direkt nordwärts, dorthin, wo die kleinen Motorboote ankern; wissen Sie, die auf Hochglanz. Da ist der Träger mit unseren zwei Taschen. Man muß sie ihn tragen lassen; er hat eine Konzession dafür.»
    «Jawohl, Sir», sagte Jackson.
    Die beiden gingen zur Tür hinaus und niemand schaute niemandem nach.
    Beim imbarcadero gab der Colonel dem Mann, der die Taschen getragen hatte, ein Trinkgeld und blickte sich dann suchend nach einem ihm bekannten Bootsmann um. Er erkannte den Mann in dem Motorboot, das als erstes daran war, nicht, aber der Bootsmann sagte: «Guten Tag, Colonel. Ich bin der erste.»
    «Wieviel kostet es bis zum Gritti?»
    «Das wissen Sie so gut wie ich, Colonel. Wir handeln nicht. Wir haben einen festen Tarif.»
    «Was ist der Tarif?»
    «Dreitausendfünfhundert.»
    «Mit dem vaporetto können wir für sechzig fahren.»
    «Daran hindert Sie nichts», sagte der Bootsführer, ein ältlicher Mann mit einem roten, aber uncholerischen Gesicht. «Man wird Sie nicht bis zum Gritti bringen, aber sie halten am imbarcadero hinter Harry, und Sie können telefonieren, daß jemand aus dem Gritti kommt und Ihre Taschen holt.»
    Und was würde ich mir schon mit den verfluchten 3500 Lire kaufen? Schließlich ist dies ein guter alter Kerl.
    «Wollen Sie, daß ich den Mann da mitschicke?» Er zeigte auf einen zerrütteten alten
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