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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder
Autoren: Ernest Hemingway
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Aber dies Pflaster von Venedig hier, wo jedermann höflich ist und gute Manieren hat, ist so verflucht heiß wie Cooke City, Montana, wenn’s beim Fischfest der alten Garde hoch hergeht.»
    «Was ich unter heißem Pflaster verstehe ist Memphis.»
    «Nicht so wie Chicago, Jackson. Memphis ist doch nur für Neger ein heißes Pflaster. Chicago ist ein heißes Pflaster im Norden und Süden; Osten und Westen existieren nicht. Aber kein Mensch hat irgendwelche Manieren. Aber wenn Sie jemals in diesem Land ein wirklich heißes Pflaster kennenlernen wollen, wo auch wunderbar gegessen wird, dann gehen Sie nach Bologna.»
    «Ich war niemals dort.»
    «Na, da ist die Fiatgarage, wo wir den Wagen lassen», sagte der Colonel. «Sie können den Schlüssel im Büro abgeben. Hier wird nicht gestohlen. Ich werde in die Bar gehen, während Sie oben parken. Es sind Träger da, die unsere Taschen runterbringen werden.»
    «Ist es okay, Sir, wenn ich das Gewehr und das Jagdzeug im Koffer lasse?»
    «Gewiß. Hier wird nicht gestohlen. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt.»
    «Ich wollte nur wegen Ihrer kostbaren Sachen die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen treffen, Sir.»
    «Sie sind so verflucht edel, daß es manchmal zum Himmel stinkt», sagte der Colonel. «Waschen Sie sich die Ohren, und hören Sie zu, was ich Ihnen beim erstenmal sage.»
    «Ich hatte es schon gehört, Sir», sagte Jackson.
    Der Colonel betrachtete ihn nachdenklich und mit der alten Stumpfheit im Blick.
    Was der doch für ein gemeiner Schweinehund ist, dachte Jackson, und er kann auch wieder so verdammt nett sein.
    «Nehmen Sie meine und Ihre Tasche raus und stellen Sie den Wagen dort oben ein und kontrollieren Sie Öl, Wasser und Reifen», sagte der Colonel und ging über den von Gummi und Öl verschmierte Zement des Bareingangs.

6
    In der Bar saß am ersten Tisch vorn am Eingang ein Nachkriegsreicher aus Mailand, feist und hart wie nur Mailänder sein können, mit seiner teuer aussehenden, äußerst begehrenswerten Freundin. Sie tranken negronis, eine Mischung von zwei süßen Wermuts und Selterwasser, und der Colonel fragte sich, wieviel Steuern der Mann hinterzogen haben mochte, um sich dies geschmeidige Mädchen in dem langen Nerzmantel zu kaufen und das Kabriolett, das der Chauffeur eben vor seinen Augen die lange, gewundene Rampe hinaufgefahren hatte, um es einzustellen. Das Paar starrte ihn mit der Manierlosigkeit an, die solche Leute haben, und er tippte leicht an die Mütze und sagte zu ihnen auf italienisch: «Es tut mir leid, daß ich in Uniform bin. Aber es ist eine Uniform, kein Faschingskostüm.»
    Dann wandte er ihnen den Rücken zu, ohne die Wirkung seiner Bemerkung abzuwarten, und ging an die Bar. Von der Bar aus konnte er genausogut auf sein Gepäck aufpassen wie die beiden pescecani auf ihres.
    Wahrscheinlich ist er ein Commendatore, dachte er. Sie ist ein schönes, schwer zu befriedigendes Stück. Tatsächlich ist sie verdammt schön. Wie’s wohl gewesen wäre, wenn ich je das Geld gehabt hätte, mir so ‘ne Sorte zu kaufen und sie in Nerz zu stecken? Na, ich bin mit dem zufrieden, was ich habe, dachte er, und die können von mir aus gehen und sich aufhängen.
    Der Barmixer schüttelte ihm die Hand. Dieser Barmixer war ein Anarchist, aber es störte ihn nicht im geringsten, daß der Colonel ein Colonel war. Er war entzückt davon und zärtlich-stolz darauf, als ob nun auch die Anarchisten ihren Colonel hätten, und in gewisser Weise schien er in den paar Monaten, die sie einander kannten, das Gefühl bekommen zu haben, als ob er den Colonel erfunden oder zumindest aufgestellt hatte, wie man froh darüber sein mag, wenn man an der Aufstellung eines Campanile oder gar der alten Kirche auf Torcello teilgenommen hat.
    Der Barmixer hatte die Unterhaltung, oder vielmehr die trockene Feststellung vorhin an dem Tisch, mit angehört und war beglückt darüber. Er hatte bereits durch den Speiseaufzug nach einem Gordon Gin und Campari runter geschickt und sagte: «Er kommt in dem handbedienten Dings da herauf. Wie geht’s in Triest?»
    «Ungefähr so, wie Sie sich’s vorstellen würden.»
    «Ich kann mir gar nichts vorstellen.»
    «Dann strengen Sie sich nur nicht an», sagte der Colonel, «und Sie werden niemals Hämorrhoiden bekommen.»
    «Das würde mir egal sein, wenn ich Colonel wäre.»
    «Ist mir auch egal.»
    «Sie würden überlaufen wie ein Glas Abführsalz», sagte der Barmixer.
    «Sagen Sie das nicht Seiner Exzellenz Pacciardi», sagte
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