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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder
Autoren: Ernest Hemingway
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all die vielen Dinge und noch einmal an deine besten Freunde und die großartigsten Leute, die du kennst. Sei keiner von den Verbitterten und Sturen. Und was hat das mit Berufssoldatentum zu tun? Hör schon auf damit, sagte er zu sich. Du bist zu deinem Vergnügen unterwegs.
    «Jackson», sagte er. «Sind Sie zufrieden?»
    «Jawohl, Sir.»
    «Schön. Sehr bald kommen wir an eine Aussicht, die Sie sich ansehen müssen. Sie brauchen nur einen Blick darauf zu werfen. Die ganze Unternehmung wird sozusagen schmerzlos verlaufen.»
    Was er wohl jetzt wieder auf mir rumzureiten hat! dachte der Fahrer. Nur weil er mal ein B. G. gewesen ist, weiß er alles. Wenn er als B. G. was getaugt hätte, warum ist er dann nicht einer geblieben? Der hat so viel abgekriegt, daß er dumm und dämlich ist.
    «Da ist die Aussicht, Jackson», sagte der Colonel. «Halten Sie am Straßenrand; dann wollen wir’s uns mal besehen.»
    Der Colonel und der Fahrer gingen hinüber auf die Straßenseite, die Venedig zu lag, und blickten über die Lagune hin, die von dem starken, kalten Wind, der von den Bergen kam, gepeitscht wurde und der allen Gebäudekonturen geometrische Schärfe und Klarheit verlieh.
    «Das da uns gegenüber ist Torcello», der Colonel wies mit dem Finger hin. «Dort haben die Leute gelebt, die von den Westgoten vom Festland verjagt worden sind. Sie haben jene Kirche mit dem viereckigen Turm gebaut, die Sie da sehen. Früher lebten da mal dreißigtausend Menschen, und sie errichteten diese Kirche, um Gott zu ehren und um ihm zu dienen. Dann, nachdem sie fertiggebaut war, verschlammte die Mündung der Sile; vielleicht ist sie aber auch durch ein großes Hochwasser verändert worden. Das ganze Land, durch das wir gerade gekommen sind, wurde überschwemmt und wurde eine Brutstätte für Moskitos, und Torcello wurde von Malaria heimgesucht. Es begann ein Massensterben. Darauf kamen die Ältesten zusammen und beschlossen, nach einer gesünderen Gegend aufzubrechen, die man mit Schiffen verteidigen konnte und wo die Westgoten und die Lombarden und die anderen Banditen ihnen nichts anhaben konnten, weil diese Banditen keine Seemacht hatten. Die Jungens aus Torcello waren alles gute Seeleute. Also verluden sie die Steine ihrer Häuser in Barken wie dieser, die wir gerade hier gesehen haben, und erbauten Venedig.» Er hielt inne. «Langweile ich Sie, Jackson?»
    «Nein, Sir. Ich hatte keine Ahnung, wer die Pioniere von Venedig waren.»
    «Es waren die Jungens aus Torcello. Sie waren äußerst zäh und zeigten sehr guten Geschmack beim Bauen. Sie kamen aus einem kleinen Ort weiter oben an der Küste, der Caorle heißt. Aber sie zogen all die Leute aus den Städten und dem dahinter liegenden Land nach sich, als die Westgoten sie überrannten. Es war ein Junge aus Torcello, der Waffen nach Alexandria verschiffte, der die Leiche des heiligen Markus auftrieb und sie hinausschmuggelte – unter einer Ladung von frischem Schweinefleisch, damit die ungläubigen Zollsoldaten ihn nicht kontrollieren würden. Dieser Junge brachte die Überreste des heiligen Markus nach Venedig, und er ist ihr Schutzpatron, und sie haben ihm dort eine Kathedrale erbaut. Aber zu jener Zeit führte sie ihr Handel bereits so weit nach Osten, daß die Architektur für meinen Geschmack reichlich byzantinisch ist. Sie haben niemals besser gebaut als zu Beginn da in Torcello. Das ist Torcello, dort.»
    Da war es wahrhaftig!
    «Der Markusplatz, das ist doch der, wo die Tauben sind, und wo sie die große Kathedrale haben, die wie so eine Art Filmpalast aussieht, nicht wahr?»
    «Stimmt, Jackson, Sie sind im Bilde. Wenn Sie’s so sehen. Wenn Sie jetzt über Torcello hinwegblicken, sehen Sie den wunderschönen Campanile von Burano, der, verdammt noch mal, fast so viel Schlagseite hat wie der schiefe Turm von Pisa. Dies Burano ist eine sehr übervölkerte kleine Insel, wo die Frauen wunderbare Spitzen machen, und die Männer machen Bambinis, und am Tag arbeiten sie in den Glaswerkstätten auf der nächsten Insel, die Sie dahinter sehen mit dem anderen Campanile: das ist Murano. Tagsüber machen sie dort wunderschöne Glaswaren für die Reichen aus aller Welt, und dann fahren sie auf dem kleinen vaporetto nach Hause und machen Bambinis. Aber nicht jeder verbringt jede Nacht mit seiner Frau. Sie gehen nachts auch mit großen Flinten auf Entenjagd am Rand der Marsch auf der Lagune dort, über die Sie jetzt wegsehen. In einer mondhellen Nacht hört man die ganze Nacht durch die
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