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Über das Trinken

Über das Trinken

Titel: Über das Trinken
Autoren: Peter Richter
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Kampagnen zur Suchtprävention bei Alkohol und Tabak sind in Deutschland ein Abfallprodukt des Kampfes gegen das Rauschgift: Man konnte immer schon schlecht über das eine reden, wenn man über das andere schweigt. Und die Sonderrolle des Alkohols unter den berauschenden Mitteln wird immer weniger zu rechtfertigen sein, denn letztlich ist es eine kulturelle Arroganz. Alkohol war und ist die Droge des Abendlandes. Die anderen Weltgegenden wurden sozusagen auch in dieser Hinsicht kolonisiert. Wer für Gerechtigkeit ist, kann das eigentlich nicht weiter hinnehmen.
    Es gibt da zwangsläufig nur zwei Möglichkeiten. Um es klar zu sagen: Ich persönlich wäre unbedingt für die totale und ausnahmslose Legalisierung von allem. Ich glaube, es würde die Erde zu einem besseren und sichereren Ort machen. Ich bin überzeugt, daß die Drogen weniger Menschenleben kosten als heute der Kampf gegen die Drogen. Aber diese Überzeugung ist leider eine Minderheitenmeinung. Also muß man realistischerweise der anderen Möglichkeit ins Auge sehen. Und die lautet: Verbot von allem.
    Das wäre im Moment natürlich nicht durchzusetzen. Aber jede Einschränkung von Werbung, Verkauf und
Konsum ist letztlich ein Schritt in diese Richtung. Und das volkspädagogische Projekt, es den Leuten abzugewöhnen, scheint ja zu funktionieren.
    Wenn man den Statistiken glauben darf, zeigen die Rauchverbote Wirkung. Es rauchen weniger Leute. Und es fangen weniger Jugendliche damit an. Der Augenschein sagt möglicherweise das Gegenteil. Ich hatte auch eher den Eindruck, seit den Rauchverboten werde eher mehr geraucht, aus Trotz und aus Prinzip. Und weil keiner gern alleine am Tisch zurückbleibt, wenn alle anderen zum Rauchen nach draußen vor die Tür stürmen, fingen sogar Nichtraucher und Exraucher plötzlich wieder damit an. In Berliner Prominentenlokalen wird, sobald der letzte Gang abgeräumt ist, Helmut Schmidt gespielt: Zigarette anzünden, und dann mal schauen; wenn der Kellner einen Aschenbecher bringt, hat man es geschafft. Aber das sind vermutlich nur Rückzugsgefechte, spätrömische Kapriolen. Vermutlich wird bald nur noch von Prominenten, elitären Künstlern und entmündigten Adligen beim Champagner geraucht  – und dann am anderen Ende der Gesellschaft wieder, in den Eckkneipen von Arbeitervierteln. Und der rauchfreie Raum dazwischen wird von Jahr zu Jahr größer werden …
    Warum sollte das mit dem Trinken nicht genauso kommen? Weil es für ein Trinkverbot keine gesundheitliche Notwendigkeit gebe? Weil es zwar Passivraucher gebe, aber keine Passivtrinker?

    Oft gehörtes Argument. Leider aber nicht stichhaltig.
    Natürlich gibt es Passivtrinker. Fragen Sie mal die Angehörigen eines Alkoholkranken.
    Außerdem sind Betrunkene belästigend. Sie sind laut, sie riechen, sie können sogar gefährlich werden. Je mehr das Trinken von der Normalität zur Ausnahme wird, desto auffälliger wird das werden  – und desto störender. Die Ächtung wirkt hier selbstverstärkend.
    Auch den Passivraucher gibt es noch nicht so lange. Jedenfalls nicht im öffentlichen Bewußtsein. Manchmal sieht man in alten Filmen, wie in der Straßenbahn geraucht wird. Noch in den Siebzigern waren vollgequalmte Hörsäle völlig normal. Und in den Neunzigern gab es noch Raucherflüge, jedenfalls bei der Air France. Heute führt die Gewöhnung an eine weitgehend rauchfreie Umgebung dazu, daß man sich auf einer Restaurantterrasse, wenn sich einer eine Zigarette ansteckt und etwas vom Rauch herüberweht, gleich dreifach davon belästigt fühlt. Auch das Verbot, auf der Straße zu rauchen, wird zwangsläufig kommen  – nicht als absurde, sondern als völlig logische Konsequenz daraus, daß man es drinnen nicht mehr darf.
    Vermutlich wird also, kurz gesagt, auch weniger getrunken, je weniger getrunken wird. Vermutlich wird das Trinken umso skandalöser empfunden, je mehr es aus der Alltagskultur verdrängt wird.
    Deshalb muß sich ein Trinker auch keine allzu großen
Hoffnungen darauf machen, daß eine Ausbreitung des Islams schon das Nötige beitragen wird zur Verringerung des Alkoholkonsums ins Europa. Je höher der Bevölkerungsanteil gläubiger Moslems, desto mehr können die anderen trinken, und das Land schafft trotzdem seine Quote  – das ist wahrscheinlich leider eine Rechnung, die nicht ganz aufgehen wird. Je weniger Leute trinken, desto geringer wird die Toleranz für das Trinken werden. Wenn die Trinkenden erst einmal zur Minderheit werden, werden sie
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