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Über das Trinken

Über das Trinken

Titel: Über das Trinken
Autoren: Peter Richter
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Besoffenen? Und woher kommt, wenn das Trinken den Frieden stiften soll, dann die ganze Gewalttätigkeit? Die Typen, die im Suff Menschen totschlagen. Und die sich am nächsten Morgen nicht einmal mehr daran erinnern können…
     
    Die Wahrheit ist: Ganz so schwerwiegend waren meine Gedanken im ersten Moment noch nicht. Es war vielmehr einfach so, daß wir, wie gesagt, auf einem Weingut saßen. Und die Erkenntnis, daß es tatsächlich einmal eine staatliche Gesellschaft zur Bekämpfung der Nüchternheit gegeben hat, die wäre eigentlich ein ganz guter Grund zum Anstoßen gewesen.
    Aber ich war der, der nachher noch fahren mußte.
    Und was dabei das Trinken betrifft  – da sind unsere Polizisten bis heute leider von preußischer Unnachsichtigkeit, sogar die in Sachsen.

     
    Das war  – gerade, wenn man durch ein Glas Wein darauf schaute  – ein Problem von philosophischen Ausmaßen: Trinken verbietet sich für den, der fährt. Aber Nichttrinken ist nicht nur auch keine Lösung  – Nichttrinken entzieht gleich der Fahrt als solcher die Grundlage. Wozu ist ein Weingut denn da?
    Und nur soviel zu trinken, daß es keine Wirkung tut: Das ist von allen Varianten die mit Abstand erbärmlichste. Wer nur mal nippt, trinkt nicht. Wer nur nippt, verschwendet Rohstoffe. Denn, nein: Es geht eben nicht nur um den Geschmack. Wenn es nur um den Geschmack ginge, könnte man den Wein nach dem Gegurgel auch wieder ausspucken wie der Winzer bei der Probe. Seinen Gästen würde der Winzer das aber übelnehmen, und zwar völlig zu Recht. Der tiefere Sinn des Weins ist nicht, daß er schmeckt, sondern daß er wirkt. Sein Stifter war Dionysos, ein grausamer Genuß-Gott, und nicht irgendein Feinschmecker mit gekräuselten Lippen. Der Geschmack ist nur eine Zugabe, wenn auch eine erfreuliche. Wer aber sagt, daß es ihm ausschließlich auf den Geschmack ankäme, auf den Alkohol hingegen könne er verzichten: der ist entweder ein Lügner, oder er hat auch vom Geschmack keine Ahnung, denn der Geschmack ist verwoben in die Drehzahl. Das, was man das maßvolle Trinken nennt, ist deshalb immer nur ein Flirt mit dem Rausch. Irgendwann muß man sich aber auch mal trauen, einen Schritt weiter zu gehen.

    Vielleicht, wer weiß, geht ja von Wackerbarths Weinkeller trotz alledem bis heute eine bedenkenswerte Botschaft aus: Die Bekämpfung der Nüchternheit bleibt ein Anliegen der Gesellschaft.

II. Wozu trinken  – und wozu dieses Buch?

    Das gute Glas Wein · Und warum es dabei nicht bleiben darf · Vom Nutzen der Bierflaschen für die Mäßigung · Warum das Trinken ein Problem ist, das Nichttrinken aber erst recht · Was, wenn das Trinken aus der Welt verschwände? · Weshalb wer trinken will auch lesen sollte · Weil die Praxis auch eine Theorie hat · Und eine Geschichte und ziemlich gute Gründe
    Trinken sollte zum Rausch führen. Punkt. C 2 H 5 OH sollte in ausreichenden Mengen über das Blut ins Gehirn gelangen, um dort für ein paar Veränderungen zu sorgen  – hier ein paar Reize dämpfen, da ein bißchen mehr Hall geben; insgesamt nichts wesentlich anderes als das, was man beim Klavierspielen mit den Pedalen tut.
    Das ist es, wovon im folgenden die Rede sein wird. Und das ist eben exakt kein Plädoyer für den Alkoholismus, sondern es ist das stärkste Argument dagegen. Trinken, um nüchtern zu werden  – das ist das Gegenteil dessen, worum es hier geht. Wem zwei Flaschen Wein nicht anzumerken sind, an den sind sie verschwendet; der soll Traubensaft trinken.
    Heißt das, die Gefahren zu verharmlosen?
    Absolut nicht: Es heißt, sie zu bejahen. Es heißt, sie ins
Auge zu fassen. Und zu lernen, trittsicher drumherumzutanzen.
    Es wird hier also ganz sicher nicht für das eine Gläschen Rotwein plädiert, das gut sein soll für das Herz. Es geht hier nicht um das eine Gläschen, das schon nichts schaden wird. Das Gläschen in Ehren, das niemand verwehren kann. Es geht, wenn überhaupt, um das eine Glas zuviel. Das, welches gut für die Stimmung ist.
    Denn der schlimmste Satz, den man über das Trinken überhaupt schreiben kann, steht meistens in der Autorenbiographie: Der Autor selbst »genieße« »gelegentlich« »durchaus« auch einmal »ein Glas guten Rotweins« …
    Dieser Autor hier hält das für großen Blödsinn. Wenn der Rotwein wirklich gut ist, trinkt er nämlich mindestens noch ein zweites Glas. Oder er trinkt von vornherein gar keins. Viel häufiger genießt er übrigens ein schönes Glas schlechten Weißweins.
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