Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte
und ein weibliches Aussehen hatten. Bei den Nogaiern, einem Turkvolk im Kaukasus, wurden solche „Mannweiber“ noch im 19. Jahrhundert gesehen. Diese Männer hatten nur wenige Haare am Körper und völlig das Aussehen von Frauen. Sie hatten nichts Männliches mehr an sich und kleideten sich auch wie Frauen. Bei den Pueblo-Indianern in Neu-Mexiko werden aus kultischen Gründen Männer verweiblicht, indem man siedurch ununterbrochenes Reiten die Funktion ihrer Genitalorgane vernichten lässt.
Eine andere Deutung sieht in den Amazonen so genannte Hermaphroditen, also Zwitter, die in heutiger Zeit auf 1000 Geburten nur ein oder zweimal auftreten. Zahlreiche Sagen in allen Kulturkreisen berichten von solchen Mischwesen. Gab es vielleicht in der Entwicklung der Menschheit ein drittes Geschlecht, von dem die Amazonen als späte Nachfahren abstammen?
Aber keine dieser Vermutungen ist bislang durch Beweise erhärtet. Deshalb bietet sich vorerst folgende Erklärung als historischer Kern der antiken Berichte über die Amazonen an: Die Frauen der skythischen Nomaden hatten aufgrund der Lebensweise eine viel freiere Stellung als die antiken Griechinnen. Sie begleiteten ihre Männer bei den Kriegszügen, und da sie sich aus praktischen Gründen wie ihre Männer kleiden mussten, sahen sie diesen zum Verwechseln ähnlich. Als Kriegerinnen mussten sie zudem große Willensstärke zeigen, was einen Fremden vielleicht zu der Deutung vemnlassen konnte, sie hätten eine Vormachtstellung in ihrer Gesellschaft. Für den griechischen Mann war es unvorstellbar, dass Frauen ein solches Leben führen konnten. Vielleicht haben die kollektiven Ängste, einmal die männliche Vormachtstellung zu verlieren, die Historiker und Schriftsteller veranlasst, eine Schreckensszenario von Amazonenheeren zu erfinden, die in der fernen Vergangenheit einmal Griechenland heimgesucht hatten und nur durch berühmte Helden wie Herakles vernichtet werden konnten.
Die Existenz eines weiteren Reiches von Amazonen in Libyen im nordwestlichen Afrika wurde von modernen Historikern als reine Erfindung zurückgewiesen, da der Gewährsmann,der schon mehrfach erwähnte Diodor, wenig Glaubwürdigkeit verdiene. Geografie, Mythologie und Fantasie gingen bei ihm ein unentwirrbares Geflecht ein. Er berichtet über die Sitten und Lebensgewohnheiten dieses zweiten Stammes der Amazonen Folgendes:
„Nach der gewöhnlichen Meinung hat es außer den Amazonen am Fluss Thermodon keine anderen gegeben. Doch dies ist unrichtig. Die libyschen Amazonen, die einer viel früheren Zeit angehören, haben sogar noch viel außergewöhnlichere Taten vollführt. Im westlichen Teil Libyens gab es nämlich ein Volk, das unter der Herrschaft der Frauen stand. Sie mussten eine gewisse Zeit die Dienste der Krieger versehen und Jungfrauen bleiben. Wenn die Jahre dieser Dienstpflicht vorüber waren, verbanden sie sich zwar mit Männern, um ihr Geschlecht fortzupflanzen, aber die öffentlichen Ämter und die Regierung behielten sie für sich alleine inne. Die Männer aber lebten dort wie bei uns die Frauen, in häuslicher Zurückgezogenheit, hatten mit Krieg und Staatsverwaltung nichts zu tun und durften überhaupt nicht öffentlich auftreten. Gleich nach der Geburt werden die Kinder den Männern übergeben, welche diese mit Milch und anderen Nahrungsmitteln aufziehen müssen. Wenn ein Mädchen geboren wurde, brannte man ihm die Brüste aus, damit sie zur Zeit der Geschlechtsreife nicht wachsen können. Die sich entwickelnden Brüste sah man als ein bedeutendes Hindernis für das Waffenhandwerk an.“
Von ihrem Land und ihren Taten erzählt er:
„Sie sollen eine Insel im Tritonsee bewohnt haben, die Hes- pera genannt wurde, weil sie weit im Westen in der Nähe des die Welt umfließenden Okeanus liegt. Der See hat seinen Namen von dem Fluss Triton, der in ihn hineinfließt. Derkriegerische Mut trieb die Amazonen zuerst an, die Städte der Insel zu erobern. Nur die Insel Meine, die als heilig galt und von den äthiopischen Ichthyophagen bewohnt war, wurde ausgenommen. Nachdem die Amazonen die Insel vollständig in ihren Besitz gebracht hatten, befiel sie das Verlangen, den größten Teil der Welt zu durchwandern. Zuerst fielen sie in das Land der Atlantiden ein, besiegten die Bewohner von Cerne und eroberten deren Stadt, indem sie mit den Fliehenden zugleich in die Stadt eindrangen. Um Angst und Schrecken zu verbreiten, verhielten sie sich sehr grausam, töteten die Soldaten und führten die
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