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Typisch Bär! - Geschichten zum Vorlesen

Typisch Bär! - Geschichten zum Vorlesen

Titel: Typisch Bär! - Geschichten zum Vorlesen
Autoren: Boje Verlag
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und sagte mit geschlossenenAugen: »Aber das ist doch das Gleiche, was ich jeden Abend mache. Wo ist da der Unterschied?«

    »Der Unterschied ist, dass du erst in fünf Monaten wieder aufwachst«, sagte der Bär.
    »Oh«, sagte der Amselhahn etwas kleinlaut. »Ich habe aber am Nachmittag eine Verabredung.«
    »Wir üben ja auch nur«, beruhigte ihn der Bär. »Natürlich musst du jetzt nicht fünf Monate liegen bleiben. Geht ja auch gar nicht, weil du in meinem Bett liegst. Das brauch ich selbst. Du kannst jetzt wieder aufstehen. Du weißt jetzt, wie es geht. Wenn der nächste Winter kommt, machst du es so, wie ich es dir erklärt habe. Aber vergiss nicht, dir vorher genügend Fett anzufuttern. Und jetzt noch was.«
    »Was denn?«, fragte der Amselhahn misstrauisch.
    »Du hast doch versucht, mir das Singen beizubringen, erinnerst du dich?«
    »Ja, umsonst«, sagte der Amselhahn. »Eine rostige Regentonne wird auch keine berühmte Sängerin, nur weil sie hohl ist und einen tollen Resonanzkörper hat.«
    Der Bär überging diese Bemerkung: »Das Fliegen wäre auch was. Das würd ich eigentlich doch ganz gern lernen. Vielleicht kann ich das besser als singen.«
    Der Vogel seufzte, aber er widersprach nicht. In den folgenden dreißig Minuten zeigte er dem Bären geduldig, wie man seine Flügel ausbreitet und sich elegant vom Wind davontragen lässt.
    Der Brillenbär versuchte es ihm gleichzutun, aber nun ja, über das Ergebnis können wir schweigen.
    »Die Thermik!«, rief der Amselhahn. »Du musst die Thermik nutzen!«
    Der Brillenbär aber nutzte nur den rauen Waldboden, mit dem er immer wieder unsanft zusammenstieß.
    Was soll das eigentlich sein: Thermik? , dachte er im Stillen und rieb sich den schmerzenden Nacken.
    Vielleicht war der Amselhahn doch nicht der richtige Fluglehrer.
    Vielleicht war ein Elefant dazu besser geeignet? Zugegeben, ein Elefant kann selbst nicht fliegen, aber er hat einen ziemlich großen Kopf. Er weiß bestimmt, wie das Fliegen funktioniert.
    Dass der Bär auf solch völlig unsinnige Ideen kam, lag mit ziemlicher Sicherheit daran, dass er zu oft abgestürzt und auf den Kopf gefallen war. Denn zumindest hätte ihm einfallen müssen, dass es in der ganzen Gegend überhaupt keine Elefanten gab, weder fliegende noch normale.
    »Mein Kopf tut weh«, sagte der Bär leise. »Mein Rücken und meine Schultern. Wir sollten das sein lassen, für heute. Und für morgen auch.«
    Der Amselhahn bedankte sich und flog davon. Unterwegs redete er laut mit sich selbst: »Hurra, ich beherrsche die Kunst des Winterschlafes. Ich bin der beste Amselhahn der Welt!«
    Der Bär blickte ihm nach und schüttelte den Kopf. Er war sich sicher, dass dieser Vogel niemals im Winter schlafen würde.
    Nein, der Winterschlaf ist nun einmal nichts für Amselhähne, sinnierte er. Und das Fliegen, nun ja, das ist eben nichts für Bären. Das Singen wohl auch nicht. Honig essen, das ist das Richtige. Ein Bär soll Honig essen und hin und wieder brummen. Das können wir nämlich am allerbesten.

Der schwere Brief
    Der Bär wollte die einigermaßen unerfreuliche Begegnung mit dem Amselhahn schnell vergessen. Er setzte sich an seinen Tisch und stöberte in den Sprichwortzetteln he­rum. Aber er konnte sich nicht recht konzentrieren. Immer wieder erschien das Gesicht der Bärin vor seinem inneren Auge. Wenn sie doch jetzt da wäre! Er hätte gern mit ihr gesprochen, über dies und jenes, über das Fliegen und das Lachsefangen und über Sternbilder.
    Während der Bär so saß und vor sich hin blickte, entdeckte er in einem ziemlich abgelegenen Winkel seines Gehirns einen kleinen, aber interessanten Gedanken. Der Gedanke lautete: Es genügt nicht, auf dem Hügel zu sitzen und auf die Bärin zu warten. Diesem Gedanken folgte sofort, ohne Sicherheitsabstand, ein zweiter: Ich sollte ihr einen Brief schreiben, denn wie soll sie ohne einen Brief wissen, dass sie erwartet wird?
    Na klar! Das war die Lösung!
    Sofort setzte sich der Bär an den Tisch. Stift. Zettel. Los.
    L iebe Brillenbärin! Ich hoffe, dass Du Dich an mich erinnerst. Ich bin derjenige, der Dich aus der Bärenfalle befreit hat, gemeinsam mit den Löwen. Weißt Du noch?
    Ich will Dir eigentlich nur schreiben, dass ich es gut finden würde, wenn Du mich mal wieder besuchen kämst. Ich würde mich sogar darüber freuen. Ich bin zwar ein Brillenbär, der ein Einzelgänger ist. Aber trotzdem ist es schön, manchmal nicht allein zu sein, sondern zu zweit. Manche Dinge gehen allein
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