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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen
Autoren: Marie Cristen
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versteinert.
    »So sei es denn«, sagte er. »Du kannst dich nach Faucheville zurückziehen. Aber erst nach der Krönung. Der Erzbischof von Reims wird mich am neunten Tag des Monats Januar in der Krönungskathedrale salben. Bis zu diesem Tag benötige ich deine Dienste. Danach mögt Ihr Euch auf Euer Lehen begeben, Baron Flavy.«
    Der Wechsel zum offiziellen Titel verriet mehr als alle Worte. Er hatte Philippe so tief gekränkt, dass er ihm als König entgegentrat.
    »Und meine Eheschließung mit Séverine Gasnay? Habe ich auch dafür Eure Billigung, Sire?«
    »Wenn Ihr das Jawort der Dame und die Zustimmung ihrer Mutter erlangt, soll es an meinem Nein nicht scheitern. Ich wünsche Euch Glück.«
    Eine für Philippe typische Entscheidung. Er verwies ihn auf Mahaut. Er wusste, dass Adrien diese Frau seit Jahren aus tiefster Seele verabscheute. Eine Intrigantin und Ränkeschmiedin. Vielleicht sogar eine Mörderin. Auf jeden Fall hatte sie mehr als eine Straftat auf dem Gewissen. Er müsste sie als Großmutter seiner Kinder ertragen.
    Philippe beobachtete ihn. In sein Gesicht kam wieder etwas Bewegung.
    »Wenn Ihr Erfolg habt, werden wir wieder Brüder sein«, sagte er nun mit einem spöttischen Unterton. »Wir haben sie dann beide zur Schwiegermutter. Eine Frau, in der das Volk eine Giftmischerin und Hexe sieht. Überlegt Euch gut, ob Ihr dieses Schicksal mit mir teilen wollt.«
    Für Séverine würde ich sogar mit dem Teufel paktieren.
    Er sprach es nicht aus.

[home]
Zwanzigstes Kapitel
    I st unsere Mutter vollends von Sinnen? Was soll dieser maßlose Luxus? Ich ersticke fast in all den Gewändern, Pelzen und dem Schmuck. Will sie sich damit etwa meine Zuneigung erkaufen?« Jeanne war ungehalten.
    »Sie weiß, was das Volk von seiner Königin erwartet«, vermutete Séverine. »Deine Reise nach Reims steht in Kürze bevor. Glaubst du nicht, dass sie es gut mir dir meint?«
    »Die Krönung.« Jeanne klang wenig erfreut. »Vor eineinhalb Jahren waren es Louis und Clementia, die in Reims gesalbt wurden. Sie stattet nicht ihre Tochter aus, sondern die Königin von Frankreich. Besser, sie trüge die Krone. Ohnehin traut sie mir nicht zu, aus eigener Kraft Entscheidungen zu treffen. Sieh dich um, all dies ist ihr Geschmack und nicht der meine. Als Nächstes wird sie mir eine Strafpredigt halten, weil ich noch immer hier wohne und nicht in den Palast auf der
Île de la Cité
übergesiedelt bin.«
    Séverine wog ihre Antwort sorgfältig ab. Zwischen Jeanne und Mahaut herrschte nach ihrem Auszug aus dem
Hôtel d’Artois
eisiges Schweigen. Dieser ganze modische Putz – angefangen von den Kämmen aus Schildpatt, den bestickten Gürteltäschchen, den Schleiern und den Gewändern aus Seidenbrokat und Goldstoffen bis hin zu Hauben, die vor Perlen und Edelsteinen glitzerten – war nichts als ein Flehen um Zuneigung. Mahaut versuchte auf ihre Art, Jeanne für sich zurückzugewinnen.
    »Du bist die Königin von Frankreich, auch wenn du es nicht wahrhaben willst. Spätestens nach deiner Rückkehr aus Reims musst du im Palast wohnen. Warum sträubst du dich so sehr dagegen? Ich fürchte, nicht einmal Philippe versteht, was in dir vorgeht.«
    »Es würde aussehen, als billigte ich Mahauts Taten«, platzte Jeanne ungewohnt erregt heraus. »Bitte lass uns nicht mehr darüber reden. Es ist schlimm genug, dass mich der verstorbene Prinz in meinen Träumen verfolgt.«
    Séverine missachtete die Bitte. »Wir müssen aber darüber reden. Du kannst nicht wirklich glauben, dass unsere Mutter ein derart abscheuliches Verbrechen begangen hat. Sie mag nicht immer den geraden Weg gehen. Sie benutzt Menschen, und wenn es sein muss, nutzt sie sie aus und verbiegt die Wahrheit zu ihren Gunsten, aber sie ist keine Mörderin.«
    Jeanne lachte schrill auf.
    »Bin ich nicht der beste Beweis dafür, dass ich die Wahrheit sage? Wäre es nicht für alle Beteiligten einfacher gewesen, die Hebamme hätte mich im Augenblick meiner Geburt mit der Nabelschnur erwürgt?«
    »Wer sagt dir, dass sie das nicht wollte?«
    Noch nie hatte Séverine bei Jeanne einen solch bitteren Unterton vernommen. »Du hasst sie?«
    »Schlimmer. Ich fürchte sie.«
    »Auch ich begegne ihr mit Vorsicht. Es wäre dumm, ihr zu trauen. Aber ich habe keine Angst um mein Leben in ihrer Gegenwart. Sie ist eine Wölfin. Du weißt, dass Wölfinnen ihre Kinder und ihr Rudel mit dem Leben verteidigen.«
    Beifälliges Klatschen an der Tür ließ beide Frauen herumfahren. Mahaut stand unter
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