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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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weitergeholfen hätte. Also beschloss ich, meine Existenz zu beenden. Mich abzuschalten.« Der Refrakto stockte. »Ich konnte nicht. Ich durfte nicht. Ein Sperrmechanismus hielt mich von diesem letzten Schritt ab. Ich war gezwungen zu leben.« Er lächelte traurig. »Während der nächsten Tage ging ich meine Befehlsroutinen durch und suchte nach Auffälligkeiten, die mir erklärten, warum ich funktionell bleiben sollte, ohne eine Zielvorgabe zu besitzen.«

    »Du hast nichts gefunden?«
    »Nur eine vage Formulierung. Einen Grundbefehl, der sich von den vielen anderen abhebt, die mein Wesen ausmachen.«
    »Du solltest beobachten, stimmt’s?«
    »So ist es.«
    »Damit stehst du in einer Reihe mit deinen Kollegen. Gewisse Parameter in eurer Basisprogrammierung sorgen dafür, dass ihr euch mythisch verbrämte Gestalten gebt, die helfen sollen, den Bewohnern der jeweiligen Welten nahe zu bleiben, aber wiederum nicht zu nahe. Das Dasein als Orakel oder als ein ähnliches Wesen ist eine sehr gefällige Methode, über die wichtigsten Geschehnisse auf einem Planeten informiert zu bleiben; vor allem dann, wenn die Bewohner Geheimnisse und Mysterien lieben.« Turil wechselte abrupt das Thema. »Die Domiendramer … wann sind sie hier gelandet?«
    »Drei Tage nachdem ich zu Bewusstsein gekommen war. Sie tauchten mit viel Getöse auf, zogen mit ihren Schiffen feurige Streifen über das Firmament und landeten in unmittelbarer Nähe meines Standorts. Zufall? Ich kann’s nicht glauben. Die Domiendramer sind genauso Bestandteil eines Plans wie auch ich.« Der Refrakto zuckte mit den Schultern. »In den Vormittagsstunden eines regnerischen Tages verließen sie ihre Raumer, völlig verwirrt. Instinktiv schlugen sie Wurzeln, tasteten mit ihren seltsamen Sinnen umher, ohne zu wissen, wonach sie suchten. Ihnen erging es nicht besser als mir. Sie hatten keine Ahnung, wie sie sich verhalten, wie sie mit ihrer Existenz umgehen sollten.«
    Auch dies war nichts Neues für Turil. Das Leben im Kahlsack, diesem wundersamen, in sich geschlossenen Raum mit einem Durchmesser von mehr als 30 000 Lichtjahren,
hatte von einem Moment zum nächsten begonnen. So, als hätte jemand ein dunkles Zimmer betreten, das Licht angeknipst und gesagt: »Es sei!«
    Doch dies waren Dinge, die Turil nur peripher interessierten. Nachdem er nun wusste, dass er vom Orakel keine Neuigkeiten zu erwarten hatte, ließ sein Wissensdurst rapide nach.
    »Du hast dich in diesen natürlichen Höhlenraum zurückgezogen«, reimte er sich zusammen, »und den Aberglauben der Domiendramer ausgenutzt. Nur allzu gerne sahen die Siedler, was sie sehen wollten: ein Geschöpf, das ihnen einen Leitfaden für ihr Leben gab und immer wieder helfend eingriff, wenn sie nicht mehr weiterwussten.« Wie langweilig, wie unendlich belanglos …
    »So groß ist mein Einfluss auch wieder nicht«, gab sich der Refrakto bescheiden. »Ich bemühe mich, auf dem Laufenden zu bleiben. Aber mir zu unterstellen, dass ich die Domiendramer beeinflusse, ist nicht fair.«
    Turil ging nicht näher auf das Thema ein. »Ein paar dressierte Vögel, ein wenig Theatergetöse und diese imposante, naturgewachsene Umgebung trugen das ihre dazu bei, die Domiendramer von der Bedeutung deiner Existenz zu überzeugen und sie in regelmäßigen Abständen hierherzulocken. Du hast in den Köpfen der Führungseliten den Wunsch verankert, dich um Rat zu fragen, bevor ein neuer Herrscher auf den Wurzelthron des Hofkastells gehievt wird.«
    »Ja.« Der alte Mann erhob sich und streckte seine Glieder. Er wirkte selbstzufrieden. »Ich denke, ich habe meine Aufgabe gut gelöst - auch wenn ich keine Ahnung habe, wozu all die Informationen dienen, die ich in mir abspeichere.«

    Einmal mehr betrachtete Turil den Refrakto kritisch. In dem nur schwach leuchtenden Wurzellicht blieben die meisten Fehler in der holografischen Textur verborgen. Hätte Turil nicht das Hintergrundwissen eines Thanatologen besessen, wäre er der Illusion möglicherweise aufgesessen.
    »Ich werde eine Kopie deines Bewusstseins ziehen«, kündigte er an. »Wehre dich nicht.«
    »Unter einer Bedingung.«
    »Es steht dir nicht zu, Bedingungen zu stellen.«
    Das Gesicht des Alten verfärbte sich rot. »Dann nenne es eine Bitte.«
    »Und zwar?«
    »Wenn du jemals erfährst, wer wir sind und was wir sind … Wirst du es uns sagen?«
    »Das werde ich.« Aber selbstverständlich! Ich weiß mit meiner Zeit nichts Besseres anzufangen, als durch den Kahlsack zu reisen und

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