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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens
Autoren: Hans Kneifel
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führten. Ganz langsam bewegte sich eine bernsteinfarbene Flüssigkeit darin, dem Körper zu. Die Wand des Sarges war eisig kalt.
    Lange und schweigend betrachtete Wladij das Gesicht.
    Es war groß und friedlich. Weißes, dichtes Haar lag um einen dunkelbraunen Schädel, dessen Haut zerknittert und faltenreich aussah. Sah sein eigenes Gesicht ebenso aus? fragte sich Wladij beunruhigt. Die Augen waren weit geöffnet; ihre Farbe war ein mittleres Grün. Die Kleidung des Wesens sah ganz anders aus als das, was Wladij an seinem Körper trug. Lange betrachtete er dieses Gesicht, das ihn so sehr beeindruckte, dann stieg er vorsichtig eine Etage tiefer. Zuerst aber las er noch das Schild, das auf dem gläsernen Deckel angebracht war. Die zweite Röhre. Hier – ein anderes Wesen. Das Haar war blau, und die Gestalt war ähnlich wie die Wladijs; gedrungen, aber schlank und muskulös. Auch diese Augen waren grün und weit geöffnet. Auch dieses Gesicht trug einen Ausdruck, den der Pilot nicht kannte und der ihn irgendwie tief empfinden ließ; Frieden und Ruhe.
    Der dritte Sarg: Diese Gestalt war anders. Man sah es an der Figur, an dem Schnitt der Kleidung und an dem Gesicht. Es war viel weicher und schmaler, glatt und sehr schön. Wieder begriff Wladij nicht, was er da sah. Das blaue Haar war länger an den Schädel geschmiegt. Wladij beschloß in dieser Sekunde, sich nicht von den Farben, Formen und Bewegungen verwirren zu lassen. Alles war für ihn neu.
    Das selbständige Denken und das Werten setzten bereits ein; der Pilot veränderte sich von Sekunde zu Sekunde. Mühsam buchstabierte er die Schriften auf den drei Schildern, die er bisher gesehen hatte:
    Abram Greenborough – das zerknitterte Gesicht.
    Randall Greenborough – der, der ihm so ähnlich war.
    Anjanet Greenborough – die fremde Figur mit dem schmalen Gesicht.
    Auch in den anderen Röhren lagen reglose Gestalten. Sie waren schon nichts Neues mehr. Wladij machte sich wieder an den Abstieg. Er befand sich mitten in einer Halle, die erfüllt war von den Lichtern und Gerüchen einer arbeitenden Technik, als der Summton erklang und ihn zur Steuerung zurückrief. Er hastete lachend die lange Treppe hinauf und fiel keuchend in den Sessel.
    »Hier bin ich!«
    »Ich spüre dich«, erwiderte das Gesicht.
    »Sieben!«
    Der andere Teil des Bewußtseins begann wieder die Oberhand zu bekommen; das lange Training setzte ein. Mit der absoluten Sicherheit einer perfekten Maschine legten Wladijs breite, kraftvolle Finger einen Schalter um; Lichter begannen zu spielen.
    »Was geschieht jetzt?«
    Der Lautsprecher gab sofort Antwort. »Das Schiff, dessen Pilot du bist, fällt jetzt nach einem langen Schwung aus dem Pararaum in den Normalraum zurück.«
    Ein Signal leuchtete auf; erneut rasteten Tasten ein. Durch die offene Tür hinter Wladij kam ein Heulen herein, das die Geräusche des Schaltpults übertönte.
    »Warum braucht ein Schiff einen Piloten wie mich, wenn es dich hat, Gesicht? Kannst du nicht alles?«
    Eine Sekunde lang zögerte das Gesicht, zu antworten. Währenddessen brachte der Pilot das Schiff sicher aus dem Pararaum in den Raum der normalen Bezüge, und sofort erhellte sich die Kuppel. Die Sterne sahen herein.
    »Herrlich!« sagte Wladij überwältigt. Er teilte seine Aufmerksamkeit zwischen den strahlenden Wundern dort draußen, deren er sich erfreute und sie dennoch nicht begriff, und dem Instrumententisch.
    »Der Kurs ist vorprogrammiert«, sagte die Stimme. »Das Schiff springt in wellenförmiger Bewegung aus dem Normalraum in den Pararaum und zurück. Und jedesmal kommt es etwas vom Kurs ab.«
    Die Sterne leuchteten. Kalt, aber nicht unfreundlich. Die Vielzahl der Konstellationen, die leuchtenden Filamente dazwischen und die Umrisse ferner Spiralen schienen gleich hinter dem Glas der Kugel zu liegen – ein lächelnder Kosmos, der darauf wartete, von Männern wie Wladij erobert zu werden.
    »Und du kannst die Kurskorrektur nicht vornehmen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Fast alles hier geschieht vollautomatisch. Es ist ein Speicherprogramm. Was auf keinen Fall zu speichern ist, ist die menschliche Entscheidungskraft. Ich als Maschine vermag nur zu handeln, wenn ich Informationen habe.«
    »Und ich?«
    »Ein Mensch besitzt diese Sperre nicht. Du handelst auch ohne Informationen. Intuition nennt man das. Das kann keine Maschine.«
    »Aber ich war doch bisher ein Idiot.«
    »Die Antwort steht auf der letzten Seite des kleinen Buches, hier im Pult. Lies es
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