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TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit
Autoren: Philip K. Dick
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Dann würde er seinen Helm öffnen müssen. Wie lange würde er überleben? Die erste Regenwolke würde einen Schauer tödlicher Partikel in seine Lungen bringen. Oder die erste starke Brise vom Ozean herein.
    Er blieb stehen und holte tief Luft. Er hatte den höchsten Punkt einer langen Anhöhe erreicht. Unter ihm breitete sich eine Ebene aus – eine dunkelgrüne, baumbedeckte Fläche. Hier und da glitzerte eine weiße Stelle. Irgendwelche Ruinen. Vor dreihundert Jahren war hier eine menschliche Stadt gewesen.
    Nichts bewegte sich – kein Anzeichen von Leben. Nirgends auch nur eine Spur.
    Trent arbeitete sich den Abhang hinunter. Rings um ihn war der schweigende Wald. Eine bedrückende Atmosphäre lastete über allem. Selbst das vertraute Rascheln kleiner Tiere fehlte hier. Tiere, Insekten, Menschen – alle waren verschwunden. Die Mehrzahl der Läufer hatte sich nach Süden begeben. Und die kleinen Tiere waren vermutlich tot. Und die Menschen?
    Er erreichte die Ruinen. Das war einmal eine große Stadt gewesen. Die Menschen hatten wahrscheinlich ihre Luftschutzkeller, Bergwerke und die Stollen von Untergrundbahnen aufgesucht. Später hatten sie ihre unterirdischen Wohnflächen erweitert. Dreihundert Jahre hatten diese Menschen – echte Menschen – unter der Erdoberfläche ausgehalten.
    Und als sie dann an die Oberfläche kamen, hatten sie bleigefütterte Anzüge getragen und ihre Lebensmittel in Tanks gezüchtet, ihr Wasser gefiltert und partikelfreie Luft aus Kompressoren gewonnen.
    Und jetzt – nichts mehr.
    Er hob seinen Sender. „Bergwerk“, rief er. „Hier spricht Trent.“
    Sein Empfänger knatterte. Es dauerte lange, bis sich jemand meldete. Die Stimme klang schwach und weit entfernt, beinahe von den Störgeräuschen übertönt. „Nun? Hast du sie gefunden?“
    „Sie sind nicht mehr da.“
    „Aber …“
    „Nichts. Niemand. Völlig verlassen.“ Trent setzte sich auf einen verwitterten Betonwürfel. Sein Körper war wie tot, jeder Lebenskraft beraubt. „Sie müssen kürzlich noch hiergewesen sein. Die Ruinen sind nicht überwachsen. Sie müssen in den letzten paar Wochen abgezogen sein.“
    „Aber das gibt doch keinen Sinn. Mason und Douglas haben sich schon auf den Weg gemacht. Douglas hat den Traktor mit. Er sollte in ein paar Tagen dort sein. Wie lange reicht dein Sauerstoff noch?“
    „Vierundzwanzig Stunden.“
    „Wir werden ihm sagen, daß er sich beeilen soll.“
    „Tut mir leid, sonst habe ich nichts zu melden.“ Seine Stimme klang bitter. „Nach all den Jahren. Sie waren die ganze Zeit hier. Und jetzt, da wir sie endlich gefunden haben …“
    „Gar keine Spuren? Du hast keine Ahnung, was aus ihnen geworden ist?“
    „Ich werde nachsehen.“ Trent erhob sich müde. „Wenn ich etwas finde, mache ich Meldung.“
    „Viel Glück.“ Die schwache Stimme ging in den Störgeräuschen unter.
    „Wir warten.“
    Trent hängte den Sender an den Gürtel. Er blickte zum grauen Himmel auf. Es war Abend – beinahe Nacht. Der Wald wirkte düster und unheildrohend. Schnee fiel vom Himmel und hüllte die grünbraunen Gewächse in einen schmutzig-weißen Mantel. Schnee mit Partikeln gemischt. Tödlicher Staub – noch immer fiel er vom Himmel, selbst nach dreihundert Jahren.
    Er schaltete seinen Helmscheinwerfer ein. Der Lichtkegel stach zwischen den Bäumen hindurch, flackerte über die Ruinen.
    Inmitten der alten Gebäude erkannte er die Türme. Große Säulen, eingehüllt in irgendwelche Metallkonstruktionen – die noch glänzten, nicht verwittert waren. Offene Tunnels lagen wie schwarze Abgründe vor ihm. Schweigende, verlassene Tunnels. Er spähte in einen hinunter und richtete den Lichtkegel seines Scheinwerfers hinein. Der Tunnel führte geradewegs in die Erde hinein. Aber er war leer.
    Wohin waren sie gegangen? Was war aus ihnen geworden? Trent wanderte müde herum. Menschen hatten hier gelebt, gearbeitet. Sie waren an die Oberfläche gekommen. Er konnte ihre mit Bohrerspitzen versehenen Fahrzeuge sehen, die zwischen den Türmen standen und jetzt von dem grauen Schnee bedeckt waren. Sie waren heraufgekommen und dann – gegangen.
    Wohin?
    Er setzte sich unter eine Säule und schaltete sein Heizgerät ein. Sein Anzug erwärmte sich, und er begann, sich wohler zu fühlen. Er musterte seinen Zähler. Die Gegend hier war heiß. Wenn er essen oder trinken wollte, würde er weitergehen müssen.
    Er war müde. Zu müde, um weiterzugehen. Er saß zusammengekauert da, und seine Helmlampe
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