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TS 62: Das Rätsel der Venus

TS 62: Das Rätsel der Venus

Titel: TS 62: Das Rätsel der Venus
Autoren: Donald A. (Hrsg.) Wollheim
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gut genug, er würdigte sie, schützte sie und verherrlichte sie förmlich. Die neue goldene Regel hieß: DON’T ROCK THE BOAT – bring’ das Boot nicht zum Schwanken, erhalte das Gleichgewicht!
    Im Jahre 2100 hatte die Zivilisation der Erde ihr Pulver verschossen. Es war eine vollkommene, statische, förmlich eingefrorene westliche Kultur. Sie begann sich immer wieder zu wiederholen, endlos.
    Sie war nicht dekadent – auch nicht rückschrittlich. Sie war einfach zufrieden, immer wieder denselben Kreis zu durchlaufen, einen Kreis des ewigen Mittelmaßes.
    Die meisten Leute wußten natürlich gar nicht, was geschehen war. Wie sollten sie auch? Wußten denn die Bürger des Mittelalters, daß sie in einer statischen Kultur lebten? Und wenn sie es gewußt hätten – hätte es sie gestört?
    Die Menschen waren glücklich wie nie zuvor. Alle hatten reichlich zu essen, keiner brauchte auf irgendwelche Bequemlichkeiten zu verzichten, und auch das Gespenst des Atomkriegs drohte nicht. Noch immer verliebten sich die jungen Leute, und noch immer kam jedes Jahr wieder ein Frühling.
    DON’T ROCK THE BOAT blieb die Regel.
    Und doch gab es gewisse Gefahrenzeichen.
    Der Verlust der kulturellen Vitalität zeigte sich – sehr langsam begann die Geburtenrate zu sinken. Die Selbstmordzahlen stiegen. Menschen töteten sich aus Gründen, die fast lächerlich wirkten.
    Die Kultur war ziellos.
    Verfall war nicht die richtige Bezeichnung: Es war Langeweile.
    Das waren die Tatsachen, die Keith Ortega herausgearbeitet hatte. Das waren die Tatsachen, mit denen Vandervort sich auseinanderzusetzen hatte; die Tatsachen, die zum Venus-Projekt geführt hatten.
     
    *
     
    Fünf Uhr früh, am Morgen des ersten Septembertages im Jahre 2150, gingen Keith Ortega und seine Frau an Bord des Stiftungsschiffes, das in der Arizonawüste auf sie wartete.
    Außer Keith und Carrie trug das Schiff zwei Piloten, einen Navigator, einen Arzt, fünfzig Babies, fünfundzwanzig humanoide Roboter von spezieller Bauart, Rechengeräte und Vorräte.
    Keith und Carrie saßen in ihrer Kabine. Es gab nichts zu sehen – keine Fenster, keine Bildschirme, keine Schaltkonsolen und keine blitzenden Lichter. Es gab nichts zu tun. Keiner von beiden hatte bisher einen Raumflug mitgemacht. Sie warteten.
    Ein tiefes Summen durchlief das Schiff und schwoll zu einem machtvollen Dröhnen an. Die Klimaanlage begann zu brummen. Ein elektronisches Relais schnappte irgendwo ein.
    Und dann umfaßte sie das künstliche Schwerkraftfeld des Schiffes, und sie starteten, flogen hinaus durch das bleiche Licht des jungen Tages, hinaus in jene ewig stumme See, die weder Morgen noch Nacht, weder Lachen noch Tränen kannte.
    Keith lächelte seiner Frau zu und fragte sich, wie lange es wohl dauern mochte, bis sie wieder einen blauen Himmel sehen würden.

 
3.
     
    VENUS.
    Keith hatte sich eine gewisse Vorstellung gemacht, hatte sogar die Bilder und Berichte gesehen, die die ersten wissenschaftlichen Expeditionen vom zweiten Planeten zurückgebracht hatten. Er glaubte also zu wissen. was ihm bevorstand.
    Die Wirklichkeit war natürlich anders.
    Als sie in der Landestation das Schiff verließen, fünfundzwanzig Millionen Meilen von der Erde entfernt, war sein erster überraschter Eindruck der der Gleichheit. Die Station hätte ebensogut in irgendeinem entlegenen Winkel der Erde stehen können, dachte er, wenn man kleine Konzessionen an das Wetter machte. Es war ziemlich wolkig, wie er ja schließlich erwartet hatte, und die Luft war wie ein grauer dichter Nebel. Es war warm und feucht, und die Luft schmeckte süßlich. Graugrüne Vegetation umgab die Station wie eine Mauer, und ein leichter Öldunst lag in der Luft.
    Aber die wirklich fremdartigen Aspekte der Venus – jene diffusen Kolonien sauerstoffatmender Organismen, die die obere Wolkendecke bewohnen, die seltsamen Temperaturströme, die den Wasserdampf absonderten, ehe er die in etwa vier Meilen Höhe befindlichen Kohlendioxydgürtel erreichte – die waren unsichtbar.
    Während der Arzt mit Hilfe der Roboter die Babies auslud, gingen Keith und Carrie auf das kuppelförmige Stationsgebäude zu. Mark Kamoto entdeckte sie, ehe sie noch zehn Schritte getan hatten. Er rannte ihnen wild herumfuchtelnd entgegen und schrie: „Heh! Willkommen im Unterwasser-Königreich.“
    Vier Stunden und zwei Töpfe Kaffee später redeten sie immer noch, wie es immer geschieht, wenn alte Freunde nach Jahren Wiedersehen feiern.
    Keith sah Mark grinsend an,
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