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TS 62: Das Rätsel der Venus

TS 62: Das Rätsel der Venus

Titel: TS 62: Das Rätsel der Venus
Autoren: Donald A. (Hrsg.) Wollheim
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dann ließen sie ihn plötzlich in Ruhe.
    Sie taten das ungern, ließen ihn zögernd los, fauchten wie Katzen, denen man ihre Beute weggenommen hat. Aber sie ließen von ihm ab.
    Lundy hätte beinahe die Besinnung verloren. Die Erschöpfung überkam ihn wie etwas Körperliches, sein Herz hörte auf zu schlagen, seine Glieder zuckten konvulsivisch. Und dann sah er durch einen Nebel, der ebensogut Schweiß oder Tränen bedeuten konnte, die kleinen blaugrauen Leute, die auf ihn herunterblickten.
    Sie schwebten in einer Wolke über ihm, hielten sich durch kaum wahrnehmbare Bewegungen ihrer Membranen auf der Stelle. Die Membranen waren fast völlig durchsichtig und reichten von den Armen bis zu den Beinen, und sowohl Hände als auch Füße waren mit Schwimmhäuten ausgestattet. Etwa an der Stelle, wo bei einem Menschen die Ferse zu suchen wäre, hatten die kleinen Geschöpfe je ein Paar Saugnäpfe.
    Ihre Leiber waren schlank und gelenkig und entschieden von femininer Art, wenn sie auch nicht die üblichen menschlichen Charakteristiken besaßen. Sie waren schön, ganz anders als alles, was Lundy je gesehen, ja selbst erträumt hatte, aber dennoch schön.
    Sie hatten Gesichter. Winzige elfenhafte Gesichter ohne Nasen. Ihre Nasen waren rund und winzig – aber ihre Augen waren es, die ihrem Gesicht die Prägung gaben.
    Große runde goldene Augen mit tiefbraunen Pupillen. Weiche Augen, sanft, fragend. Lundy war zumute, als sollte er weinen, und dabei hatte er Angst, daß ihm zum Schreien zumute war.
    Die Blumen schwebten immer noch um ihn herum. Als eine von ihnen Lundy zu nahe kam, schlug einer der Kleinen spielerisch danach – so wie man vielleicht einen Hund verscheucht .
    „Lebst du?“ kam die Frage.

 
3.
     
    Lundy war über die telepathische Stimme nicht erstaunt. Telepathie war auf vielen Welten verbreitet und oft wesentlich bequemer als gesprochene Sprache. Die Planeten-Polizei gab ihren Leuten eine gute Ausbildung in Telepathie.
    „Ich lebe – und das verdanke ich euch.“
    Er stand vorsichtig auf. „Ihr seid gerade rechtzeitig gekommen. Woher habt ihr gewußt, daß ich hier war?“
    „Deine Angst-Gedanken erreichten uns. Wir wissen, wie es ist, wenn man Angst hat. Deshalb kamen wir.“
    „Ich danke euch.“
    „Aber es ist doch selbstverständlich, daß wir dir geholfen haben. Warum auch nicht? Du brauchst uns nicht zu danken.“
    Lundy sah die Blumen an, die sie immer noch umschwebten. „Wie kommt es, daß sie euch gehorchen? Warum …“
    „Aber es sind doch keine Kannibalen! Nicht wie – die Anderen .“Dieser letzte Gedanke kündete von panischer Angst.
    Kannibalen. Lundy blickte zu der Wolke winziger Frauengestalten auf.
    Die goldenen Augen lächelten auf ihn herunter. „Ja, wir sind anders als du. Ebenso wie wir uns von den Fischen unterscheiden. Woran denkst du? Bunte wachsende Dinge – Schilf – ja, sie sind mit uns verwandt.“
    Verwandt, dachte Lundy. Klar. So wie wir den Tieren verwandt sind. Lebende Pflanzen waren auf der Venus nichts Neues. Warum also nicht auch Pflanzen, die dachten? Pflanzen, die ihre Wurzeln mit sich trugen und die einen aus weichen, traurigen Augen ansahen?
    „Verschwinden wir hier“, sagte Lundy.
    Sie gingen durch den dunklen Tunnel auf die Straße hinaus, und dieBlumen lechzten wie hungrige Wölfe nach Lundy, berührten ihn aber nicht. Als er über die Ebene ging, umschwebten ihn die ‚Pflanzen-Frauen’ wie eine Wolke.
    Seegewächse – Pflanzen, die reden konnten. Der Gedanke nahm Lundy den Atem.
    Mit der Stadt erging es ihm ähnlich. Als er sie zum ersten Male von der Ebene aus sah, war sie dunkel, und nur der Schein des phosphoreszierenden Sandes erhellte sie. Es war eine große Stadt, anscheinend völlig umgeben von einer Mauer. Groß und schweigend und sehr alt – so wartete sie am Ende der Straße.
    Im Dämmerlicht wirkte sie seltsamerweise realer. Einen Augenblick hatte Lundy gar nicht mehr das Gefühl, daß er sich unter Wasser befand. Es war gerade, als schlenderte er im Mondlicht in einer schlafenden Stadt herum, die bis zum Morgengrauen …
    Nur daß es für diese Stadt nie ein Morgengrauen geben würde. Nie mehr.
    Lundy wollte plötzlich davonlaufen.
    „Du brauchst keine Angst zu haben. Wir wohnen hier. Es ist ganz ungefährlich.“
    Lundy schüttelte gereizt den Kopf. Plötzlich flammte das strahlende Licht wieder auf – drei regelmäßige Blitze. Es schien irgendwo von rechts zu kommen, aus einer unterirdischen Bergkette. Lundy glaubte zu
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