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Truthahn um zwölf

Truthahn um zwölf

Titel: Truthahn um zwölf
Autoren: Mary Scott
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der schlechten Haltung«, wie er es nannte.
    »Ist er nicht ein Lamm? Anne hat wirklich Glück. Man könnte sie beneiden.«
    Das klang wehmütig, und ich habe sie nie etwas sagen hören, was ihre Gefühle gegenüber dem höflichen und distanzierten Alastair deutlicher ausgedrückt hätte.
    Sie wandte sich zu Edith. »Übernimmst du den Laden? Ich muß Caleb die Sachen bringen, die er bestellt hat, aber ich bin bald wieder da.« Dann zu mir: »Susan, komm doch mit! Es sind nur ungefähr fünf Meilen, und wir können den ganzen Weg schwatzen.«
     
    Tony fährt sehr gut Auto. Ihr Vater hatte es ihr sehr früh beigebracht, hauptsächlich, um seine Frau zu ärgern, und sie kam mit Tantchens kleinem Lieferwagen gut zurecht auf unseren kurvigen Straßen.
    »Wer ist Caleb? Ich hab’ ihn noch nie gesehen. Ist er einer von den neuen Siedlern?«
    »Nicht direkt, der Arme«, sagte Tony, die schnell einige Lebensmittel zusammensuchte. »Er ist seit einem Jahr hier, hat eine furchtbar kleine Farm an einer Seitenstraße und kommt fast nie herunter. Er hat nicht einmal ein Auto.«
    »Was hat er dann? Ein Pferd?«
    Tony lachte. »Nein. Er ist hoffnungslos ungeschickt mit Pferden, so wie mit den meisten Sachen, aber er ist richtig goldig. Er fährt Fahrrad auf diesen Straßen!«
    »Dann muß er fast den ganzen Weg schieben. Warum ist er goldig?«
    Was ich da über diesen Caleb hörte, gefiel mir nicht besonders. Ich hoffte sehr, daß er wenigstens schon älter sei, wenn er schon so arm und ein so schlechter Organisator war. Tony hatte die höchst unangenehme Gewohnheit, überall hilfsbedürftige Menschen aufzulesen, die Larry immer lachend als ihre »Schützlinge« bezeichnete und mir dabei prophezeite, daß sie sicher noch einen von ihnen heiraten würde.
    »Das kann ich nicht so genau sagen. Er ist schrecklich höflich und nett und bringt alles durcheinander. Dabei ist er absolut ehrlich, er zahlt für seine armseligen kleinen Bestellungen immer auf den Pfennig genau, wofür er dann sein letztes Geld zusammenkratzt, und er kann seine dürftige Farm jeden Augenblick verlieren, weil er die Pacht nicht zahlen kann.«
    Das klang bedrohlich. War er verheiratet? »Hart für seine Frau«, warf ich listig ein.
    »Er hat keine Frau. Nur eine Katze, und die betet er an. Ein recht garstiges Biest, außer Caleb krallt sie jeden.«
    »Ist er Witwer?« beharrte ich hartnäckig.
    »Ich weiß nicht, ob er je eine Frau gehabt hat. Und wenn, dann hat er sie wahrscheinlich verloren oder verschlampt. Er verliert alles .«
    Ich machte mich auf das Schlimmste gefaßt. »Das klingt nach einem recht ungeschickten jungen Mann.«
    »Jung? Aber der gute, arme Caleb ist mindestens fünfzig, und er sieht noch viel älter aus.«
    Ich war erleichtert. Sicher würde doch sogar Tony die Grenze bei fünfzig ziehen? Dann merkte ich, wie albern ich war und mußte Larry recht geben: Ich schnappte bald über.
    Ich half Tony, die Sachen im Lieferwagen zu verstauen, und kletterte dann hinein. Es war immer lustig, mit Tony zu fahren, und ich war neugierig auf diesen Caleb.
    Wir bogen etwa drei Meilen nach Tiri von der Hauptstraße ab und fuhren auf einer schmalen, lehmigen Straße in den Busch hinauf. Tony nahm die Haarnadelkurven sehr geschickt mit dem Lieferwagen, und ich war froh, daß Tantchen den riesigen, angeberischen Lieferwagen vom Supermarkt verkauft hatte, mit dem Freeman seine Waren ausgefahren hatte. Diese Straße wäre ich nicht gerne in ihm gefahren.
    Über eine Meile sahen wir keine Lichtung im Busch. Ich hatte diese Straße noch nicht erkundet, wußte aber, daß sie ursprünglich die Zufahrt zu einem Kohlenbergwerk gewesen war, das sich dann als unrentabel erwiesen hatte. Ich sagte: »Wie kann man hier nur leben! Warum hast du Petroleum dabei? Der arme Mann hat doch sicher elektrisches Licht?«
    »Nein. Das hat es an dieser Straße noch nie gegeben. Es lohnt sich nicht, nur für diese eine Farm. Caleb tappt immer mit Kerzen herum oder zerbricht den Glassturz der Lampe, und manchmal explodiert eine Lampe, und er versengt sich die Haare.«
    »Was hat ihn dazu gebracht, hierher zu kommen?«
    »Er suchte vermutlich ein ruhiges Fleckchen, an dem er Gemüse züchten, ein oder zwei Kühe melken und ein paar Schafe halten kann. Er hatte fast kein Geld. Aber der Besitzer verpachtete ihm das Land für sechs Monate.«
    »Und wirft ihn vermutlich wieder hinaus, wenn die vorbei sind?«
    »Sie sind schon lange vorbei, und ich glaube, der gute Alte hat schrecklich
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