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Truthahn um zwölf

Truthahn um zwölf

Titel: Truthahn um zwölf
Autoren: Mary Scott
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höflichen Ton zu antworten. Endlich hatte ich Zeit, mir Caleb anzuschauen. Und trotz der Mühe, die er uns gemacht hatte, und meinem ersten Eindruck nach auch immer machen würde, mußte ich ihn einfach gern haben.
    Er war mindestens fünfzig, und ich fürchte, der Colonel hätte ihn einen »heruntergekommenen Gentleman und armen Kerl« genannt. Groß und hager, mit grauen Haaren und einem leicht verwirrten, liebenswürdigen Gesichtsausdruck, als ob er sich immer fragen würde, was er jetzt schon wieder falsch gemacht habe. Er war überraschend sauber, oder mußte es vor seinem Kampf mit den Schweinen gewesen sein. Das verschossene Hemd und der geflickte Arbeitsanzug waren vor kurzem gewaschen worden, und er benützte offensichtlich regelmäßig die große Zinkbadewanne, die vor dem verrosteten Küchenherd stand. Er sah schrecklich ungeschickt aus, eigentlich wie ein Versager, war aber ein freundlicher und höflicher alter Mann.
    Er murmelte immer noch vor sich hin: »Wie freundlich, wie außerordentlich nett von Ihnen«, als Tony ihn unterbrach, um ihn mir in aller Form vorzustellen.
    »Es tut mir leid, daß Sie solche Ungelegenheiten hatten«, begann er umständlich, und ich fand, daß »Ungelegenheiten« eine charmante Art war, von dem gerade beendeten Kampf zu sprechen.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich ohne Ihre Hilfe herauskommen hätte sollen«. — Wir konnten es uns offengestanden auch nicht vorstellen. — »Das Netz ist so groß und fest. Es war ein guter Kauf.«
    »Aber, Caleb — was tun Sie hier mit einem Fischernetz?«
    Er mißbilligte meine Frage. Sie war auch nicht sehr intelligent, denn ich hatte ja gesehen, was er damit tat. »Es wurde bei einer Versteigerung angeboten. Vor sechs Monaten, als ich etwas Geld hatte, und ich dachte, es wäre einfacher, vom Fischen zu leben.«
    Daß es innerhalb von zehn Meilen keinen einzigen Fisch gab, war ihm nie aufgefallen. Tony anscheinend auch nicht. Sie sagte nur: »Aber wie habt ihr euch alle hineingewickelt?«
    »Es schien so einfach. Ich hab’ irgendwo gelesen, daß man Schweine am besten fangen kann, wenn man ein Netz zwischen zwei Bäume spannt und sie hineintreibt. Wissen Sie, sie waren so schwer zu fangen, und ich wollte sie gerade heute haben, weil Jim Forbes ihretwegen herauskommt, und ich dachte, das Geld...« Hier wurde er wieder undeutlich, und Tony forschte weiter.
    »Also haben Sie es zwischen die Bäume gebunden, und dann?«
    »Es hat ganz fest ausgesehen, aber unglücklicherweise hat es doch nachgegeben und uns alle eingewickelt, und ich kann mir nicht vorstellen, wenn Sie nicht gekommen wären...«
    Er hatte die Angewohnheit, seine Sätze nicht zu Ende zu führen, aber Tony hörte ihm ernsthaft zu und sagte dann: »Als nächstes müssen wir sie aus dem Netz herauswickeln und sicher festbinden, bevor der Mann kommt. Jim Forbes haben Sie gesagt? Das ist gut, er wird sie gut bezahlen. Ich mag Jim. Kommen Sie Caleb, Sie wickeln sie aus, und Susan und ich helfen beim Festhalten.«
    Es war ein heikles Geschäft, aber wir schafften es dann doch. Caleb machte sich große Sorgen, weil Annabella verschwunden blieb, und murmelte dauernd vor sich hin, daß der Kater hoffentlich nicht denken würde, die Schweine seien jetzt seine Lieblinge, und eifersüchtig wäre. Tony sagte munter: »Er wird schon zurückkommen. Nur keine Aufregung. Bitte suchen Sie einen Strick.«
    Das dauerte lange, aber schließlich und endlich hatten wir die Schweine sicher angebunden im Stall. Für ein paar Stunden, meinte Tony, seien sie vollkommen sicher. Caleb versicherte uns, daß jetzt alles in Ordnung sei, dankte uns nochmals überschwenglich und bot uns eine Tasse Tee an. Mir war nicht ganz wohl bei diesem Gedanken, wenn ich mir das Schlafzimmer betrachtete, das wie ein Schlachtfeld aussah. Da die Einrichtung aber nur aus einem Bett und einem aus Petroleumkanistern zusammengebauten Regal bestand, stimmte ich Caleb zu, als er sagte, daß ein Topf heißes Wasser und ein Besen das schnell wieder in Ordnung bringen würden. Aber ich mißtraute dem Tee.
    Diese Sorgen waren unnötig. Die kleine Küche war spärlich eingerichtet, aber sauber, das Steingutgeschirr stand blankgeputzt in einem Schrank, und die Milch war in einem blitzsauberen Topf. Als Farmer mochte Caleb hoffnungslos ungeschickt sein, aber seinen Haushalt hielt er sauber.
    Überall waren Anzeichen einer tiefen Armut. Im Fliegenschrank ein wenig Butter, ein Brotlaib in einem Blechkasten und etwas Zucker und
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