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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition)
Autoren: James Gordon Farrell
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Bekannter sein können, der zum Bridge vorbeikam. Natürlich, machte er sich sogleich klar, hatten sie sich nur kurz getroffen, und das war lange her. Soweit er sehen konnte, war sie älter als erwartet, und sie kam ihm abgehärmt vor. Offenbar zu erschöpft, um sich zu erheben, hielt sie ihm aber doch immerhin eine schmale Hand entgegen. Der Major, der noch keine Zeit gehabt hatte, sich an diese leibhaftige Angela zu gewöhnen, fasste sie eifrig und fuhr mit seinem zottigen blonden Schnurrbart darüber, was sie ein wenig zusammenzucken ließ. Dann wurde er den anderen Gästen vorgestellt: einem uralten Gentleman namens Dr. Ryan, der in seinem dicken Polstersessel fest eingeschlafen war (und deshalb seinen Gruß auch nicht erwiderte), einem Advokaten, der Boy O’Neill hieß, seiner Frau, einer reichlich griesgrämigen Dame, und ihrer Tochter Viola.
    Das Blattwerk, sagte der Major sich noch einmal, nun wo er sich setzte, war wirklich außerordentlich dicht; Schlingpflanzen hingen nicht nur von oben herab, sondern streckten ihre Tentakeln auch über den ganzen Fußboden und schlangen sich um jeden ahnungslosen Gegenstand, der zu lange an seinem Platz verharrt hatte. Eine Stehlampe ihm zur Seite war zum Beispiel von einer vegetabilen Schlange erdrosselt worden, die sich den schlanken Metallstab emporgewunden hatte bis hin zu der düsteren Birne, die wie ein großes Glubschauge dort oben stand. Sie hatte keinen Schirm, und der Major war davon ausgegangen, dass die Glühbirne durchgebrannt war, bis Angela zu seiner Verblüffung sich zwischen den verstaubten Blättern zu schaffen machte und sie einschaltete, wohl damit sie sich ihn einmal genauer ansehen konnte. Ob es sie nun entsetzte, was sie sah, oder nicht, jedenfalls schaltete sie die Lampe nach einem kurzen Augenblick mit einem Seufzer wieder ab, und das bedrückende Dunkel breitete sich erneut aus. Der Major dachte derweil: »
So
hat sie also vor drei Jahren in Brighton ausgesehen; natürlich, jetzt erinnere ich mich«; aber wenn er ehrlich war, erinnerte er sich doch nur halb; zur Hälfte war sie sie selbst, zur Hälfte war sie eine Fremde, doch keine von beiden Hälften entsprach dem Bild, das er von ihr gehabt hatte, wenn er ihre wöchentlichen Briefe las (ein Bild, das er vielleicht heiraten wollte, wohlgemerkt – er durfte nicht vergessen, dass diese matte Dame seine »Verlobte« war).
    »Hattest du eine gute Überfahrt, Brendan?«, erkundigte sie sich. »Das Boot kann so lästig sein, wenn die See rau ist.«
    »Ja, danke; obwohl ich nicht leugnen kann, dass ich froh war, als wir in Kingstown einliefen. Und dir ist es gut ergangen, Angela?«
    »Oh, ich sterbe« – ein kraftloser Hustenanfall unterbrach sie – »vor Langeweile«, fügte sie verdrießlich hinzu.
    Inzwischen hatte sie, ohne dabei den Major aus den Augen zu lassen, ein Bein unter dem Tisch ausgestreckt und machte merkwürdige Bewegungen damit, wobei sie von der Anstrengung ein wenig ächzte, so als wolle sie einen trägen, doch zähen Käfer in den Fliesenboden treten. »Streckt sie den Fuß nach mir aus?«, fragte der Major sich perplex. Dann, nachdem diese kuriosen Zuckungen noch mehrere Sekunden lang gedauert hatten (die O’Neills waren entweder daran gewöhnt, oder sie taten, als merkten sie nichts), erklang eine Glocke irgendwo in der Tiefe des Palmenwaldes. Angelas Bein entspannte sich, ein zufriedener Ausdruck kam in ihre bleichen, bekümmerten Züge, und ein alter, abgerissener Diener (den der Major einen Moment lang für seinen zukünftigen Schwiegervater hielt) kam aus dem Dschungel geschlurft, heftig durch den Mund atmend, als sei ihm gerade in der Spülküche etwas Entsetzliches widerfahren.
    »Tee, Murphy.«
    »Sehr wohl, Ma’am.«
    Angela schaltete die Lampe lange genug an, dass Murphy mit zitternden Fingern ein paar leere Tassen einsammeln konnte, dann schaltete sie sie wieder aus. Der Major bemerkte, dass Dr. Ryan nicht, wie er gedacht hatte, schlief. Unter den gesenkten Lidern funkelten seine Augen vor Aufmerksamkeit und Intelligenz.
    »Ich wünschte, wir könnten
unseren
vertrauen«, sagte Mrs. O’Neill.
    »Es ist nicht leicht«, pflichtete Angela ihr bei. »Was meinen Sie, Doktor?«
    Dr. Ryan ging jedoch auf die Frage nicht ein, und von Neuem senkte sich das Schweigen herab.
    »In vielem sind sie wie Kinder«, sagte Boy O’Neill dann doch noch, und seine Frau stimmte ihm zu. »Was für eine unglaublich steife Teegesellschaft«, dachte der Major, der inzwischen einen
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