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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition)
Autoren: James Gordon Farrell
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Blick über die weiß gekalkten Wände und die Schieferdächer von Kilnalough schweifen; hie und da standen Männer und Frauen schweigend in der Tür oder saßen auf der Schwelle und schauten sie an, als sie vorüberfuhren. Ein oder zwei von den älteren Männern tippten sich an die Kappe.
    »Eine großartige Stadt«, sagte Ripon noch einmal. »Sie werden sich schnell dran gewöhnen. Rechts ein Stück die Straße hinunter ist die Munster and Leinster Bank … links der Kaufladen von O’Meara und dann der Fischladen, wir sind ja hier gleich am Meer … hinten, wo die Straße die Biegung macht, ist die Kapelle Unserer Jungfrau Himmelskönigin, Fischfresser natürlich … und dann haben wir noch O’Connell, den Metzger, da gibt’s das zweitbeste Schweinefleisch …« Seltsamerweise kamen sie an keiner dieser Sehenswürdigkeiten vorbei – oder wenn doch, dann erkannte der Major sie nicht.
    Und schon lag Kilnalough hinter ihnen; draußen vor der Stadt gab es nichts zu sehen außer ein paar armseligen steinernen Cottages, vor denen zerlumpte, barfüßige Kinder spielten, Hühner, die in Abfällen scharrten, und über allem lag der Geruch von verfaulender Vegetation. Sie kamen über einen Hügelkamm und sahen den matten Glanz des Meeres über dem Flickenteppich aus Wiesen und Hecken. Das Aroma von Salzwasser lag nun deutlich in der Luft.
    Mit einem Mal war Ripon bester Laune, geradezu aufgekratzt (womöglich sogar ein klein wenig beschwipst?, fragte sich der Major) und zeigte ihm immer neue Attraktionen aus seiner Kindheit. Er wies auf ein flaches, offenes Feld und erklärte dem Major, dass er dort seinen ersten Drachen habe steigen lassen; in einem Weißdorngebüsch hatte er einmal ein Kaninchen so groß wie eine Bulldogge geschossen; in der Scheune dort drüben hatte er eine interessante Erfahrung mit dem Bauernmädchen gemacht, das damals jedes Jahr in dem vom Tuchhändler Finnegan veranstalteten Weihnachtsspiel die Jungfrau Maria spielte … ja, und in dem Wäldchen jenseits der Scheune war der junge Herr Ripon – und die ganze Dienerschaft und »all die vornehmen Herrschaften« von meilenweit her sahen zu – mit dem Blut des Fuchses beschmiert worden (gar nicht soviel anders, fügte er kryptisch hinzu) … und hier, auf dieser Straße …
    Nicht weit vor ihnen ragten aus dem wuchernden Grün, das die Straße säumte, die beiden wuchtigen, verwitterten Torpfosten des Majestic auf. Als sie zwischen ihnen hindurchfuhren (das Tor selbst war verschwunden, und es blieben nur die nackten gewaltigen Eisenhaken, an denen die Flügel einmal gehangen hatten), sah der Major sie sich näher an: Auf jedem davon saß eine große steinerne Kugel, jeweils mit einer leicht schräg aufgesetzten und jetzt vom Wetter glattgeschliffenen Krone verziert, was den Pfosten etwas Albernes, Trunkenes gab, wie ernsthafte Männer mit Papierhüten auf dem Kopf. Rechts von der Auffahrt stand etwas, das früher gewiss einmal das Torhaus gewesen war, jetzt dermaßen dicht vom Efeu überwuchert, dass sich nur noch an den zwei länglichen Rechtecken der eingeschlagenen Fenster erkennen ließ, dass dieser lauschige Platz innen hohl war. Der dichte Laubwald, durch den hindurch man leise die Brandung des Meeres hörte, wich immer mehr den lichteren, spärlicheren Kiefern, nun, da sie die schmalste Stelle der Landzunge passierten, und kehrte zurück, als sie im Park anlangten, über dem die schwarze Masse des Hotels aufragte. Die schiere Größe überraschte den Major. Im Näherkommen blickte er hinauf zu dem hohen türmchenbesetzten Gemäuer und versuchte die Fenster und Balkone zu zählen (wo von einem davon vielleicht seine »Verlobte« Ausschau nach ihm hielt).
    Ripon brachte den Wagen zum Stehen, und nachdem der Major abgestiegen war, beförderte er dessen Koffer mit einem Fußtritt auf den Kies (woraufhin der Major zusammenfuhr, denn er dachte an die zerbrechlichen Flaschen mit Rasierwasser und Makassaröl). Anschließend, ohne dass er selbst abgestiegen wäre, gab er wieder einen Schlag mit der Zügel und fuhr davon; er rief dem Major noch zu, dass er das Pony zum Stall auf der Rückseite bringen müsse; er solle ruhig schon ohne ihn hineingehen, die Treppe hinauf und dann durch die große Eingangstür. So hob der Major seinen Koffer auf und ging zu den steinernen Stufen, blieb jedoch unterwegs noch einmal stehen, um die lebensgroße Statue einer fülligen Dame zu Pferde zu inspizieren, die vom Wetter Grünspan angesetzt hatte. Diese Dame und ihr
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