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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean
Autoren: Subina Giuletti
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wollen und dafür tun müsse, dann käme der Erfolg von ganz allein.
    Aber ich hatte getan, was ich konnte. Und gewollt hatte ich noch mehr! Ich hatte eine Ausbildung gemacht, gebüffelt, mich angestrengt, Bewerbungen geschrieben, noch und nöcher. Ich hatte meine Wünsche ins Universum gesandt. Auf alle möglichen Arten. Und trotzdem keinen Job.
    Letztendlich aber war ich doch der Meinung, dass es mit mir zu tun haben musste, wenn es nicht klappte. Und so gab ich das Geld, das ich beim Jobben verdiente, weiterhin für ein Seminar nach dem anderen aus, in der Hoffnung, endlich des Pudels Kern zu finden.
    Höhepunkt meiner persönlichkeitsbildenden Unternehmungen war ein Seminar bei einem Amerikaner, der 6000 Leute in eine Arena pferchte und eine Riesenshow abzog. Rhetorisch war er einer der begnadetsten Menschen unter der Sonne, zweifellos, und er setzte Musik, seine Person und seine Methoden so gekonnt ein, dass ich danach aufgeblasen wie ein Luftballon in die Welt hinausging, nicht ohne in der vorher erzeugten Euphorie ein weiteres Seminar gebucht zu haben, das mich tief in die roten Zahlen manövrierte und das in Palm Springs stattfand, in einem Hotel mitten in der Wüste, unter dem Titel: Create your destiny.
    Der Luftballoneffekt des ersten Seminars hielt circa eine Woche an. Ich lief mit herausgestreckter Brust durch die Gegend. Jeden Tag, jede Stunde, jede mögliche Minute erzählte ich meinem Unterbewusstsein, dass ich ein erfolgreicher Mensch sei. Aber mein Unterbewusstsein wollte mir nicht glauben. Es agierte wie meine Eltern und hielt mir hartnäckig entgegen, was in Wirklichkeit Sache war: Kein Geld, kein Job, keine Aussicht auf Geld und keine Aussicht auf einen Job. Loser! Schulden auf dem Konto! Selbstredend hatte ich weitere Bewerbungen geschrieben, sogar um Volontariate ersucht, die mich aus der finanziellen Misere ja auch nicht befreien würden. Ich schämte mich schrecklich, weil ich nichts vorweisen konnte. Mit der Zeit war ich die Einzige, die nichts hatte und grenzte mich von meinen ehemaligen Mitstudenten ab – klar, ich wollte keine peinlichen Fragen beantworten, aber mehr noch konnte ich ihr Glück nicht ertragen. Es war ein schäbiges Gefühl, aber so sehr ich mich auch dagegen wehrte - es war einfach da.
     
    Bereits fünf Tage nach dem Aufpump-Seminar bereute ich die dort gebuchte Amerikareise zutiefst. Auf was hatte ich mich da eingelassen? Ich musste wahnsinnig sein! Das Einzige, ich gebe es zu, was mich davon abhielt, das Ganze zu stornieren, waren die hohen Stornokosten. Und der Effekt, dass ich auf meiner Facebook-Seite posten konnte, ohne zu lügen, dass ich nach Amerika ging.
     
    Abreise. Koffer gepackt. In Palm Springs ist es heiß. 360 Tage Sonne im Jahr. Sommersachen in der Hand, die mich wehmütig machten. Spürte den Frust, der Lust auf hemmungsloses Geldausgeben macht. Noch zwanzig Minuten bis der Shuttle kam.
    Ich stöberte im Netz, landete auf Facebook. Fotografierte die Koffer und schrieb einen coolen Spruch dazu. Fotos von Menschen tauchten in der Seitenleiste auf. Kennst Du xyz? Ihr habt zwei gemeinsame Freunde. Kennst wcl? Du und deine Freundin haben ihn als gemeinsamen Freund. Lustlos klickte ich in den Fotos herum. Ich hatte 387 Freunde und die hatten wiederum zig Freunde, die mir alle als weitere Freunde angeboten wurden. Was für ein Überangebot an Freunden! Ein Supermarkt! Und...wow! Da, guck mal, wie toll der aussieht! Ein Zahnpastalächeln. Blond. Stahlgraue Augen. Mein Gott, ist der hübsch. Ich wünschte, den könnte ich wie beim online-shoppen einfach in den Warenkorb packen.
    Plötzlich ergriff mich das Bedürfnis, meine Freundesliste aufpolieren zu müssen. Ich klickte auf Anne. Die hatte 1298 Freunde, Ole über 3000... wie machten die das nur? Wie wild verschickte ich Freundschaftsanfragen an alle Fotos, die mir sympathisch erschienen.
    Bereits fünf Minuten danach bereute ich auch diese Aktion. Es klingelte an der Haustür, der Shuttle war da. Ich beschloss, am Flughafen alle Anfragen wieder zu löschen.
     
    Flughafen, Wartehalle. Viel zu früh durchs Gate. Heiß kam mir, dass dies nichts mit vorausblickender Kalkulation zu tun hatte, sondern schlicht damit, dass ich mich im Leerlauf befand und deswegen so früh dran war. Im Geiste sah ich Anne, wie sie voller Hektik mit berühmten Menschen telefonierte, um einen Interviewtermin zu ergattern, die eigene Sekretärin in der Tür, die mahnend auf die Uhr am Handgelenk klopft, das Taxi, das für sie
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