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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel
Autoren: Marc Hoepfner
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eigenes Fabelreich, beherrscht von giftigen Gerüchen und mißtönenden Geräuschen, permanent in Veränderung, während für mich Tag um Tag verstrich, ohne daß ein Fortschritt gelang. Ich genoß meine einzige Abwechslung.Vorhang auf: Ein schwarzer Professor auf der Bank gegenüber an der Basis der dreieckigen Grünfläche hielt Vorträge über Nationalökonomie und die Bestrafung von Frauen. Eine Stimmung wie im Hyde Park. Seine Theorie war eigenwillig, sollte mit einem Konvolut aus privaten Papieren belegt werden, die er aus einem orangefarbenen Rucksack gezogen hatte. »Es begann mit meinem Einkaufswagen«, brüllte er gegen den Verkehrslärm, die Hast der Menschen und meine gespannte Langeweile an. »Steht alles hier drin«, sagte er wiederholt und tippte auf sein Bündel Papiere.
       Nein , für mich begann es mit einem dunklen Raum, dem Speicher unseres Hauses, und im Blickwinkel der Psychologie, Ursachen, nicht Gründe benennend, mit einem Unfall, aber andere mögen darüber urteilen . . .
       Drei Monate waren vergangen, in denen ich vergeblich versucht hatte, die Rätsel des Hotels zu lösen, unter den argwöhnischen Blicken von Mahgourians Angestellten. Aber es gab kaum eine Tür außerhalb der fünf bewohnten Stockwerke, die nicht verriegelt war. Meine Kontakte zu den Mitbewohnern blieben oberflächlich.
      
       Ich verglich meine vergilbten Pläne mit den Teilen des Gebäudes, in denen man sich frei bewegen konnte. Jede Übereinstimmung versetzte mich für einen Augenblick in Hochstimmung. Das war wichtig, um durchzuhalten, wie die Getränke in der Papiertüte, denen ich mich im Park widmete.Der interessantere Teil des Hauses blieb jedoch unzugänglich, meine alten Skizzen und Zeichnungen damit rätselhaft. Die Konstruktion war zwar vorhanden, aber ungreifbar, in unmittelbarer Nähe, doch von Mauern verborgen oder geschützt.Ich wußte, dort konnten sich keine Zimmer befinden, niemals würde ein Mensch da wohnen. Trotzdem hatte der Eigentümer an der vorgeblichen Nutzung des Gebäudes festgehalten und führte ein Hotel – wenn auch nach eigenwilligen Regeln.
       Der Professor in meiner Nachbarschaft wechselte sich mit anderen Vortragenden ab, aber nur an ihn habe ich umständehalber deutliche Erinnerungen. Es gebe eine statistische Korrelation zwischen dem Rückgang von Eheschließungen, der Zunahme von Scheidungen und dem Steigen der Arbeitslosigkeit unter männlichen Schwarzen, belehrte der Professor die Stadt unter Verweis auf sein umfangreiches Aktenmaterial.Schwarze Frauen würden Männer mit dem Danaergeschenk ihrer Sexualität unterjochen. Er habe eine gewaltsame Trennung überstanden, ohne zum Mörder geworden zu sein, und wäre trotzdem in die Unterwelt eingezogen, die Betonbunker im Bahntunnel unter der 95. Straße. Ich hörte ihm zu. Unter den Gästen des Hotels galt ich als verschlossen. Das war eine Haltung, die man respektierte. Jemand, der sich bemüht, etwas Großes und Wichtiges zu leisten, scheut zu Recht die Ablenkung. Er darf sogar gebrochen sein, versehrt von der Bürde seines Projektes. Jeder von Mahgourians Schützlingen hier im Hotel hatte ein Tabernakel empfindlichster Eigenarten ausgestellt, denen er ergeben huldigte und für die er Respekt verlangte. Ich zeigte mich bescheiden, prahlte nicht mit meiner Mission, blieb allein. So war es eine Art von Rettung, auf den Menschen zu treffen, der hier auf seine Weise genauso abseits stand wie ich. Genaugenommen drang zunächst nur eine Stimme zu mir, wie die Botschaft eines nachsichtigen Engels.
      
      
       Das Gespräch mit Mahgourian war die einzige Tür, die in das Innere des Gebäudes führen würde. Meine Anspannung, die Folge dieser Einsicht, konnte ihm nicht entgangen sein, die Arme hielt ich störrisch vor der Brust verschränkt, während meine Augen sich blinzelnd an das Licht in seinem Büro gewöhnten.
       »Sie sind Fotograf?« Mahgourian sah mich durch eine Brille an, die seine Augen unangenehm klein und stechend machte.
      
       Er wußte offensichtlich um diese entstellende Wirkung, denn er fixierte mich mit einer schadenfrohen Neugier. Seine Hände, ungewöhnlich klein und dunkel, blieben dabei immer in Bewegung. Er faltete sie oder rieb Finger aneinander, und schließlich nahm er ungeduldig einen kupfernen Löffel und eine graue Pappschachtel aus einer Schublade, um Kürbiskerne in den Futternapf des Papageis zu füllen. Ein übergroßer, etwas abgezehrt wirkender Gelbbrustara auf der Stange
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