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Treibgut der Strudelsee

Treibgut der Strudelsee

Titel: Treibgut der Strudelsee
Autoren: Horst Hoffmann
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aufeinander und schwiegen eisern, auch als Jejeds Peitsche auf sie herabzuckte.
    »Du, du und du!« Der Kapitän der Lichtfähre schlug unbarmherzig zu, bis den drei Männern hinter der Ruderstange das wenige, was sie am Körper trugen, in Fetzen vom Leib hing. Schwer atmend ließ er die Peitsche sinken und winkte zwei Aufseher heran.
    »Bringt sie fort!« befahl er mit sich überschlagender Stimme. »Ich werde mir überlegen, wie sie für Oblaks Tod büßen sollen!«
    Kräftige Hände lösten die ledernen Riemen, mit denen die Ruderer an die Stangen gebunden waren. Hasserfüllte Blicke schlugen dem Kapitän entgegen, und noch einmal zuckte Jejeds Peitsche durch die Luft und riss blutende Striemen ins Fleisch der drei, die von ihrer Holzbank gerissen und auf Deck geführt wurden.
    »Und ihr dahinten, rudert weiter! Es gibt nichts zu sehen!«
    Die langen Ruder, vierzig auf jeder Seite der Gasihara, tauchten ins Wasser. Zwanzig Dutzend Männer, unter ihnen halbe Kinder und Greise, legten sich in die Riemen und bissen die Zähne zusammen. Jejed sah das Feuer in ihren Augen und spürte den Hass, der aus ihnen sprach. Nichts würden sie lieber sehen, als dass er den gleichen Fehler beging wie der einzige Mann an Bord, der Jejed etwas bedeutet hatte.
    Doch der Kapitän stand breitbeinig auf den nassen Bohlen und wartete, bis von der Mannschaft drei neue Männer herbeigebracht und an die Ruderstangen gebunden wurden. Wie versteinert wirkte er, ein dunkelhäutiger, fast blauschwarzer Hüne, gut sechs Fuß groß und bepackt mit zuckenden Muskelpaketen. Der Brustpanzer aus Echsenleder hob und senkte sich unter schweren Atemzügen. Aus dem gleichen widerstandsfähigen und phantasievoll gemusterten Material bestanden der Waffenrock und die Arm- und Beinschienen des Moronen.
    Nur kurz blickte Jejed hinüber zum einzigen Deckaufbau, der ihm und Rachamon als Unterkunft diente. Der Seemagier stand mit unbewegter Miene vor dem Eingang, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Wollt ihr wohl rudern!« Jejed ließ die Peitsche wahllos auf die Rücken der Sklaven niedersausen. Er ging die langen Reihen bis zur Mitte des riesigen Schiffes ab und blieb bei drei Ruderern stehen, deren Körper sich im Takt der Trommeln spannten, langsam nach hinten bogen und wieder nach vorne schoben.
    »Du da!« Jejed stieß den Knaben, der in der Mitte zwischen zwei kräftigen Legionären saß, mit dem Stiel der Peitsche an. »Was ist los mit dir?«
    Der Kopf des Knaben fuhr herum. Große Augen blickten Jejed angstvoll an.
    »Hast du keinen Mund, um zu reden? Was ist? Mir scheint, du lässt die anderen für dich arbeiten!«
    »Es ist nichts«, sagte da jener der beiden Kräftigeren, der ganz außen auf der Ruderbank saß, zwei Schritte vom schäumenden Abgrund entfernt. Das Langruder knirschte und ächzte in der Halterung. »Er rudert wie wir. Er hatte sich nur erschrocken, als Oblak…«
    »Habe ich dich gefragt?« fuhr Jejed den Krieger an. »Willst du mir weismachen, ein einziger von euch Halunken hätte Mitleid mit Oblak gehabt? Ihr…«
    »Hatte er Mitleid mit uns?«
    Die Peitsche zuckte in die Höhe. Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle der Krieger seine Hände vom Ruderholz losreißen, um nach dem Riemen zu greifen, der auf sein Wams niederfuhr.
    »Du wirst aufsässig, eh?« schrie Jejed. »Du willst mit Zirpe Bekanntschaft machen? Warte, ich…«
    »Gnade, Herr!« rief der Knabe.
    Doch bevor Jejed seine Drohung wahr machen und den Finger unter die rechte Armschiene schieben konnte, hallte die Stimme des Magiers über das Deck. »Jejed!«
    Der Dunkelhäutige fuhr herum. Zorn blitzte in seinen Augen, als er den Ruderern einen letzten Blick zuwarf. »Ich komme wieder«, knurrte er, bevor er der Aufforderung Rachamons folgte. »Verlasst euch drauf!«
    Mit schweren Schritten stieg er aufs Deck und verschwand mit dem Magier im Aufbau. Viele Augen sahen ihnen nach, denn es bedeutete nichts Gutes, wenn der Kapitän und der Seemagier sich zurückzogen, um Dinge zu bereden.
    Und als ob Oblaks Tod in den Wirbeln der Strudelsee ein Omen gewesen wäre, schoben sich von Osten her dunkle Wolken über den Himmel und verfinsterten die Sonne. Doch noch machte das Schiff ruhige Fahrt, noch trieb es relativ friedlich in einer der vielen Nebenströmungen der Strudelsee in Richtung Süden.
    Dort, irgendwo in der Ferne, lag das Ziel der fünfhundert Legionäre aus allen Teilen der Lichtwelt, die in Sarphand den Wilden Fängern in die Arme gelaufen waren:
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