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Treibgut der Strudelsee

Treibgut der Strudelsee

Titel: Treibgut der Strudelsee
Autoren: Horst Hoffmann
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ruderten. Und doch gaben sie alles, um nicht zu denen zu gehören, an denen die Mannschaft ihr Mütchen kühlte. Hier, auf den Ruderbänken, saßen sie zwischen starken Männern. Sie mussten bis zur Erschöpfung arbeiten, doch sie hatten das Gefühl, nicht allein zu sein. Tatsächlich schien die unbarmherzige Härte des Kapitäns die Männer, die den Wilden Fängern in die Falle gegangen waren, zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenzuschweißen, ganz egal, ob sie Gauner oder ehrliche Leute gewesen waren. Hier waren sie nur noch Sklaven, von denen jeder wusste, dass er ohne die anderen ein Nichts war.
    Vielleicht war das auch Jejeds Ziel, dachte Mythor. Der Kapitän aus dem fernen Land Moro-Basako, dessen Bewohner sich Moronen nannten, hatte nur das zu tun, was man ihm an Land aufgetragen hatte. Er war dafür verantwortlich, dass die Kämpfer für die Lichtwelt nach Logghard gelangten, und zwar nicht als Krüppel.
    Wie lange waren sie nun schon auf See? Mythor suchte vergeblich nach der Sonne. Die dunklen Wolken hatten mittlerweile das gesamte Firmament überzogen. Erste Regentropfen klatschten auf die Planken. Aber die Sonne musste ihren höchsten Punkt längst erreicht haben, und als die Gasihara von Sarphand aus in See stach, war es früher Morgen gewesen.
    Noch schien Rachamons Magie zu wirken. Doch die Wellen schlugen bereits mit mehr Wucht gegen den bauchigen Schiffsleib, und weißer Schaum spritzte bis zu den Ruderern hinauf.
    Mythor dachte flüchtig daran, wie er und die anderen unfreiwilligen Legionäre an Bord geschleppt worden waren. Da war von diesem Gefühl der Zusammengehörigkeit noch nicht viel zu spüren gewesen. Im Gegenteil, viele hatten sich abgesondert oder versucht, Streit vom Zaun zu brechen. Jene, die sich freiwillig in die Hände der Wilden Fänger begeben hatten, ließen alles mit sich geschehen.
    War es Jejeds Absicht, durch Peitsche und Faust dieses Zusammengehörigkeitsgefühl erst zu schaffen, um eine Truppe nach Logghard zu bringen, in der jeder für den anderen einzustehen gelernt hatte?
    Mythor wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Farin sich neben ihm aufbäumte und mit weit offenem Mund nach Luft rang. Das dunkle Gesicht des Knaben hatte eine aschfahle Färbung angenommen. Die großen Augen rollten in den Höhlen.
    »Hör auf zu rudern!« flüsterte Mythor. »Verdammt, Junge, du bringst dich um!«
    Farins Kopf sank nach unten. Mythor lief der Schweiß in die Augen. Es brannte, und er hatte keine Hand frei, um sich das Gesicht abzuwischen. Der Regen war stärker geworden und ließ die Haare an der Haut festkleben. Das nasse Wams wurde schwer.
    »Farin!«
    Der Knabe gab keine Antwort. Er begann leise zu schluchzen. Mythor stieß ihn leicht mit dem Ellbogen an und vergaß für einen Moment das Rudern. Hilfesuchend sah er zum Weißhaarigen hinüber und erstarrte.
    Jejed stand vor ihnen.
    »Ich wusste es doch«, sagte der Kapitän mit unverhohlenem Spott, die Peitsche in der Rechten und die Finger der Linken verdächtig nahe an der Armschiene. Ohne sich umzudrehen, rief er zwei seiner Männer herbei.
    »Bindet den Burschen los und schafft ihn auf Deck!« befahl er. »Und ihr beiden anderen haltet besser den Mund!«
    Kurz blitzte es in Mythors Augen auf. Doch er versuchte nicht noch einmal, Farin das Deck zu ersparen. Dort würde er gedemütigt werden – hier war ihm der Tod gewiss .
    Der Knabe aber schrie und wehrte sich wie eine Wildkatze, als die Seefahrer ihn losbanden und von der Bank zerrten. Halb hing er in ihrem Griff, strampelte mit den Beinen und trat um sich, bis er vor Jejed auf die Knie gedrückt wurde.
    Der Morone lachte dröhnend. »Sieh an, der Kleine ist übermütig!« Er packte das Tuch und riss Farin mit einem Ruck den weiten Umhang vom Leib. Farin schrie gellend auf.
    Vor Überraschung machte Jejed einen Schritt zurück. Mythor glaubte, nicht richtig zu sehen. Hinter und vor ihm vergaßen die Männer das Rudern. Einige lachten rau, andere fluchten. Von weiter hinten kam ein entsetzter Schrei.
    »Ein Weib!« stieß einer der Seefahrer hervor. »Wir haben ein Weib an Bord!«
    *
    Mythor starrte auf den leeren Platz neben ihm, auf die Ruderstange, dann wieder blickte er Farin an. Irgend jemand schrie etwas von einem Fluch, der nun auf der Lichtfähre liege.
    Der »Knabe« trug unter dem Umhang, der ihm jetzt in Fetzen um die Beine baumelte, nur ein dünnes Hemdchen und eine bis zu den Knien reichende Hose aus Wolle. Die Brüste waren noch flach, die Hüften die
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