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Traveler - das Finale

Traveler - das Finale

Titel: Traveler - das Finale
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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der sich im Laufe der Zeit änderte, weil der Computer Daten über den Lebenswandel des Betreffenden einsammelte. Über- oder unterschritt der Wert die festgelegte Spanne des Normalzulässigen, wertete der Arbeitgeber das als einen Hinweis auf mögliche körperliche oder psychische Probleme.
    Einige Tage später wurden in allen Gebäuden der Stiftung Infrarotkameras installiert. Die Kameras scannten alle Anwesenden automatisch und sammelten Daten bezüglich Blutdruck, Puls und Körpertemperatur. Gerüchten zufolge wurden alle vom Gelände der Evergreen Foundation aus getätigten Telefonate von einer Software evaluiert, die den Stresspegel in der Stimme messen konnte und auf bestimmte Schlüsselwörter reagierte.

    Ein großer Teil der Überwachung fand unbemerkt statt. Norm-All wusste, wohin man mit dem Auto fuhr und wo man was gekauft und mit Kredit- oder Scheckkarte bezahlt hatte. Susan fragte sich, wie schwer bestimmte Verstöße wogen. Ganz bestimmt würde eine Festnahme wegen Alkohols am Steuer sich negativ auf den persönlichen Wert auswirken; aber was geschah, wenn man ein »schlechtes« Buch aus einer öffentlichen Bücherei auslieh?
    Man munkelte, schon zwei Mitarbeiter seien wegen inakzeptabler Norm-All-Werte gefeuert worden, außerdem würden einigen Teilzeitkräften aus demselben Grund Vollzeitverträge verwehrt. Es dauerte keinen Monat, bis in Susans Team nicht mehr über kontroverse Themen diskutiert wurde. Die drei zulässigen Gesprächsthemen waren Shopping, Sport und Fernsehen. An einem Freitagabend besuchten sie zusammen eine Bar, um den Geburtstag eines Kollegen zu feiern, und als sie die dritte Runde bestellten, witzelte ein Programmierer: »Tja, damit haben wir unsere Norm-All-Werte endgültig ruiniert!«
    Alle lachten, aber niemand kommentierte den Spruch. Das Thema war erledigt, und man setzte die Unterhaltung über die neuesten Hybrid-Autos fort.
    Susan hatte ihr ganzes Leben mit Computern gearbeitet und wusste, wie einfach es war, IP-Nummern über das Internet rückzuverfolgen. Im März gab sie es auf, ihren privaten Computer zu benutzen, kaufte sich auf dem Flohmarkt einen gebrauchten Laptop und ging nur noch im örtlichen Café über Wi-LAN ins Internet. Sie kam sich vor wie eine Alkoholikerin oder wie eine Drogensüchtige – so als hätte sie ein beschämendes Problem, das sie einfach nicht in den Griff bekam. Wenn sie nach der Arbeit zum Café fuhr, hatte sie den Eindruck, durch einen besonders heruntergekommenen Stadtteil mit kaputten Straßenlaternen und verfallenden Gebäuden zu fahren. In obskuren Chats stieß sie auf so genannte
Free Runner, die gegen die Evergreen Foundation schwere Vorwürfe erhoben. Angeblich war die Stiftung nur der offizielle Ableger einer Geheimorganisation namens Tabula, die es auf die Freiheit der Menschheit abgesehen hatte. Gegen ihre Machenschaften hatte sich ein selbst ernannter »Widerstand« formiert.
    Zunächst tat Susan nichts weiter, als die verschiedenen Diskussionsstränge zu verfolgen. Aber vor drei Tagen hatte sie den ersten Schritt gewagt und mit ein paar polnischen Free Runnern gechattet.
    Ich arbeite für die Evergreen Foundation, hatte sie geschrieben. Wir bereiten gerade eine neue Version des Quantencomputers vor.
    Wo bist du?, hatte einer gefragt.
    Bist du in Gefahr?, ein anderer . Können wir dir helfen?
    Susan hatte den Laptop zugeklappt und das Café sofort verlassen. Auf dem Heimweg hatte sie sich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten und an jeder Ampel, die auf Grün umsprang, ein paar zusätzliche Sekunden gewartet.
     
    Sie stellte ein Fertiggericht in die Mikrowelle und trat in den Garten hinaus, um Charlie zu suchen. Der Hund war verschwunden, und Susan sah, dass die Garagentür halb offen stand. Wie seltsam. Der Gärtner hatte schon zwei Mal vergessen, sie abzuschließen, aber heute war Mittwoch. Vorsichtig näherte sich Susan der Garagentür, tastete nach dem Lichtschalter und legte ihn um. Nichts passierte. Und dann hörte sie ihren Hund im Dunkeln winseln.
    »Charlie?«
    Ein Mann trat aus dem Schatten und packte sie beim Arm. Susan wehrte sich, sie schrie und strampelte. Plötzlich ging das Licht an, und sie sah einen zweiten Mann, der auf einem Küchenstuhl stand. Jemand hatte die Glühbirne herausgedreht,
und nun war er dabei, sie wieder in die Fassung zu schrauben. Susan hielt inne und starrte an dem Mann hoch, der ihre Arme festhielt. Das war Robert – er wurde von allen nur Rob genannt –, ein kräftiger
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