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Traveler - das Finale

Traveler - das Finale

Titel: Traveler - das Finale
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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der erfahrene, ältere Bruder auf.
    »Was stehst du da rum? Los geht’s!«
    »Nein, ich bleibe hier bei dir, Michael.«
    Michael steckte die Hände in die Hosentaschen und spazierte durch die Kirchenbänke wie ein Tourist, der eine zweitklassige Sehenswürdigkeit besucht.
    »Ich habe den kompletten Zyklus dieser Barriere mitgemacht. Alles brennt nieder, und dann entsteht es neu.«
    »Ich weiß.«
    »Hier gibt es nichts zu essen. Und kein Wasser. Wir müssen weiter.«
    »Nein, das müssen wir nicht, Michael. Du bist wie ein Virus, das alle infiziert, die ihm zu nahe kommen.«
    »Ich bin ein Traveler, so wie du. Nur dass ich die Welt so sehe, wie sie ist.«
    »Und deswegen lässt du Kinder ermorden?«
    »Wenn es nötig ist.«
    Der Altar fing Feuer, und unter lautem Knacken verbrannte das trockene Holz. Gabriel schaute sich um und sah, dass die Flammen auf die vertrockneten Rosen in der Kupfervase übergesprungen waren. Die Blüten schrumpften zusammen und verwandelten sich in kleine Lichtkugeln.
    Als er sich wieder umdrehte, sah er, dass Michael auf eine Kirchenbank geklettert war und versuchte, von dort ans Kirchenfenster zu gelangen. Gabriel jagte durch den Raum, packte das Hosenbein seines Bruders und riss ihn zu Boden. Michael strampelte und schlug um sich bei dem Versuch, sich zu befreien, aber Gabriel hielt ihn fest umklammert. Sie rollten herum und stießen Kirchenbänke um, dann rammte Michael seinem Bruder einen Ellenbogen in die Brust. Er sprang auf und torkelte zum Fenster zurück. Diesmal stapelte er eine Bank auf der anderen zu einer provisorischen Leiter auf.
    »Du kannst hierbleiben!«, schrie Michael. »Für immer!«

    Ein Balken löste sich von der Decke. Im Fallen drehte er sich, schleuderte Funken durch die Luft, erwischte Michael an der Schulter, riss ihn zu Boden und begrub ihn unter sich. Michael lag sekundenlang wie betäubt da, während ein zweiter und dann ein dritter Balken herunterfielen. Er stützte sich auf beide Handflächen und versuchte, sich hochzustemmen, aber das Gewicht war zu schwer.
    Gabriel sah den Hass und die Wut in Michaels Augen. Er wusste, er konnte Michael nicht retten, aber genauso wenig konnte er ihn seinem Schicksal überlassen. Gabriel setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und wartete. Er nahm den Augenblick hin, und zwar mit solcher Gelassenheit, dass er sich plötzlich fühlte, als seien alle Fragen beantwortet. Einatmen. Ausatmen. Und da breitete sich ein leuchtendes Feld vor ihm aus – unendlich, in immerwährender Ausdehnung begriffen, alles hinnehmend.
     
    Die beiden einzigen Straßen der Stadt trafen sich auf einem kleinen Platz mit Parkbänken und einem steinernen Obelisk, in den ein Kreis, ein Dreieck und ein Pentagramm geschlagen waren. Stünde man neben diesem Denkmal, hätte man das Ende der Feuersbrunst beobachten können, als die Flammen die Fensterscheiben bersten ließen und sich durch die Türen brannten. Schließlich konnten die brennenden Stützbalken das Gewicht der Obergeschosse nicht mehr tragen, und die Häuser stürzten ein. Die Kirche mit den Holzsäulen und der weißen Kuppel kollabierte zuletzt. Sie schien zu implodieren, und der Lichtball strahlte so hell und mächtig wie eine neugeborene Sonne.

FÜNFUNDVIERZIG
    D as Apartment in Rom hatte keine Klimaanlage, dafür stand eine ganze Sammlung altmodischer Ventilatoren herum. In jedem der acht Zimmer stand einer auf einem Tischchen in der Ecke, und Alice Chen hatte sie mit blauen und roten Bändchen geschmückt, die im Wind flatterten, sobald die Rotoren sich drehten.
    Die Septemberhitze weckte sie früh am Morgen. Priest hatte Sofas und Klubsessel an die Wand geschoben, um das Wohnzimmer als Trainingsraum zu nutzen. Nachdem er zwei Tassen Espresso getrunken hatte, machte er Liegestütze und Sit-ups auf dem weißen Marmorboden. Darauf folgte eine komplizierte Reihe von Kampfsportübungen. Nach seinem Training gab er Alice eine Karate-Stunde.
    Nun, da sie im siebten Monat schwanger war, war Maya für Kicks und Sprünge nicht mehr zu haben. Sie setzte sich auf ihre Yogamatte, machte Dehnübungen und half mit guten Ratschlägen weiter. Zum Abschluss des Morgentrainings kämpften sie und Priest eine Runde mit Kendo-Schwertern. Maya fühlte sich dick und träge, aber ihre Reaktionszeiten hatten sich nicht verschlechtert. Zudem konnte sie auf eine ganze Reihe von Ausweich- und angetäuschten Manövern zurückgreifen. Während der zehnminütigen Runde schaffte sie es oft, Priests Angriff
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