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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit
Autoren: Barbara Wood
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unwahrscheinlich. Ich weiß nur, man nannte den Ort Karra Karra. Du mußt ihn suchen, Joanna, damit meine Seele Ruhe findet. Du mußt ihn suchen, um dich zu retten, aber auch um deine zukünftigen Kinder zu retten.«
    Mich retten? Uns retten?
    Wovor, dachte Joanna bekümmert. Was hat das alles nur zu bedeuten?
    Auf dem Sekretär lag außerdem ein Brief – ein zorniger Brief, in dem stand: »Du sprichst von einem Fluch. Das ist eine Versündigung an Gott.« Der Brief trug keine Unterschrift, aber Joanna wußte, er stammte von ihrer Tante Millicent, die Joannas Mutter, Emily Drury, großgezogen hatte. Tante Millicent hatte sich angstvoll geweigert, mit der Tochter ihrer Schwester über die Vergangenheit zu sprechen. Und dann stand auf dem Sekretär noch eine Miniatur von Lady Emily – das Bildnis einer schönen Frau mit traurigen Augen. Wie fügten sich diese Dinge in das Rätsel ihres tragischen Todes? Und was haben sie mit meinem Schicksal zu tun? dachte Joanna.
    »Ich weiß nicht, weshalb Ihre Mutter stirbt«, hatte der Arzt zu Joanna gesagt, »das zu verstehen, übersteigt mein Wissen und meine Fähigkeiten. Sie ist nicht krank, und doch scheint sie zu sterben. Ich glaube, es ist weniger ein Leiden des Körpers als des Geistes. Aber ich finde keine Erklärung dafür und kann auch keine Ursache benennen.«
    Einige Tage vor diesem Gespräch war ein tollwütiger Hund auf dem Garnisonsgelände aufgetaucht, wo ihr Vater stationiert war. Der Hund entdeckte Joanna, die sich vor Angst erstarrt hilflos an eine Mauer drückte. In diesem Augenblick erschien Lady Emily und stellte sich zwischen ihre Tochter und den Hund. Das tollwütige Tier wollte angreifen und setzte zum Sprung an. Ein Soldat sah die Gefahr, zielte, schoß, und der Hund fiel tot vor ihren Füßen zu Boden.
    »Lady Emily hat alle Symptome der Tollwut, Miss Drury«, erklärte der Arzt, »aber der Hund hat Ihre Mutter nicht gebissen. Ich verstehe nicht, weshalb die Symptome bei ihr auftreten.«
    Joanna blickte aus dem Bullauge auf das dunkle Meer. Sie hörte, wie die Männer in den Booten versuchten, das Schiff wie ein riesiges, hilfloses blindes Wesen durch die Nacht zu ziehen. Und sie dachte daran, wie ihre Mutter im Sterben gelegen hatte und sich nicht gegen die Macht wehren konnte, die sie tötete. Nur wenige Stunden nach dem Tod seiner geliebten Frau hatte ihr Mann, Oberst Petronius, den Dienstrevolver an seine Schläfe gesetzt und abgedrückt.
    »Unheimliche Kräfte sind am Werk, meine liebste Joanna«, hatte Lady Emily gesagt, »sie erheben nach all den vielen Jahren Anspruch auf mich. Sie werden auch auf dich Anspruch erheben. Bitte … geh nach Australien. Finde heraus, was geschehen ist, und verhindere, daß dieses schleichende Gift auch dich tötet … Was immer es sein mag, verhindere, daß dieser Fluch auch dich trifft.«
    Joanna erinnerte sich an das, was die Mutter ihr vor langer Zeit anvertraut hatte. »Ein Kapitän brachte mich zu Tante Millicent nach England, als ich vier Jahre alt war«, erzählte Lady Emily damals. »Ich war auf seinem Schiff gewesen, das offenbar aus Australien kam. Ich hatte nur wenig bei mir. Ich war stumm.
Ich konnte nicht sprechen.
Ich kann mir nur vorstellen, daß die Ereignisse in Australien, an die ich mich nie erinnern konnte, im wahrsten Sinne des Wortes unaussprechlich gewesen sein müssen.
    Millicent sagte, es habe Monate gedauert, bis ich überhaupt ein Wort über die Lippen brachte. Joanna, es ist wichtig zu erfahren, warum das so war, und was unserer Familie in Australien zugestoßen ist.«
    Vor einem Jahr dann, nach Lady Emilys neununddreißigstem Geburtstag, begannen Träume sie zu quälen, und sie glaubte, es könne sich dabei um Erinnerungen an die verlorenen Jahre ihrer Kindheit handeln. Sie schilderte diese Träume in ihrem Tagebuch: »Ich bin ein kleines Kind. Eine junge Frau hält mich in den Armen. Sie hatte eine sehr dunkle Haut. Menschen stehen um uns herum. Wir alle warten schweigend auf etwas. Wir blicken auf eine Art Höhle. Ich beginne zu reden, aber man sagt mir, daß ich schweigen soll. Irgendwie weiß ich, daß wir auf meine Mutter warten. Ich möchte, daß sie kommt. Ich habe große Angst um sie … Ich spüre die heiße Sonne auf meinem Körper. Ich frage mich, ob das eine Erinnerung an meine Jahre in Australien ist. Aber was bedeutet dieser Traum?«
    Joanna blickte zu den Sternen am Himmel auf und suchte das Kreuz des Südens. Seine Spitze deutete nach Australien, das nur noch
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