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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit
Autoren: Barbara Wood
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Blick auf den Kompaß. Die Nadel drehte sich mittlerweile pausenlos.
    Sie setzte sich neben Lisa in den großen Kreis um das Lagerfeuer. Die Frauen unterhielten sich aufgeregt. Aber sie sprachen so schnell, daß Joanna nicht einmal Bruchstücke verstand. Bald würden die Männer in den Kreis treten, und dann begann der Tanz. An den meisten Abenden gab es in der Sippe
Corroborees.
Einige der Tänze hatten eine besondere religiöse oder rituelle Bedeutung für die Männer. Dann durften die Frauen nicht anwesend sein; war umgekehrt der Tanz für die Frauen von besonderer Bedeutung, durften die Männer nicht zusehen. Andere
Corroborees
dienten nur der Unterhaltung – es wurden Geschichten erzählt, lustige Tänze getanzt und man spielte denkwürdige Jagderlebnisse nach. Aber an diesem Abend sollte etwas ganz Besonderes stattfinden, soviel ahnte Joanna.
    Alte und junge Männer bereiteten sich auf den Tanz vor – sie bemalten sich, steckten Federn ins Haar und schmückten ihre Körper mit Tierzähnen und geweihten Steinen. Die Frauen kauten
Pituri
-Blätter. Sie stammten von einem giftigen Strauch, ihr Genuß konnte tödlich sein. Wenn man jedoch geringe Mengen kaute, dann wirkten die Blätter nur stark anregend. Joanna sah die dafür typischen verengten Pupillen und spürte die allgemeine Erregung.
    Die Tänzer waren bereit.
    Bei dem ersten
Corroboree,
das Joanna und Lisa miterlebt hatten, war es ihnen als eine völlig verrückte Art Tanz erschienen – ohne Ordnung, ohne Sinn. Inzwischen wußten sie, daß jede Bewegung eine Bedeutung hatte, jede Geste, jeder Sprung zu einer Geschichte gehörte. Das flackernde Feuer erhellte die Gesichter, die Wüste lag im gespenstischen Glanz des hellen Mondes, vor dem die Sterne verblaßten, und der Tanz begann.
    Naliandrah saß neben Joanna und Lisa. Ein Mann mit dem Namen Thumimberie galt als der beste Tänzer – sein Ruhm reichte weit über seine Sippe hinaus. Wenn der Stamm sich zu einem großen
Corroboree
versammelte, dann kamen viele nur, um Thumimberie tanzen zu sehen. Er sprang jetzt von einem Fuß auf den anderen, beugte und streckte sich, wiegte den Oberkörper und drehte sich schnell in der Mitte des Kreises. Ein Mann mit Blättern und Zweigen im Haar, der seinen Körper blau und rot bemalt hatte, gesellte sich zu ihm. Er tanzte mit Thumimberie einen sehr schnellen, kriegerischen Tanz. Sie stießen gegeneinander, trennten sich wieder in großen Sprüngen, und man hatte den Eindruck, als kämpften sie miteinander. Die im Kreis sitzenden Frauen nahmen Speere und Bumerangs in die Hände und schlugen sie rhythmisch gegeneinander.
    »Was für eine Geschichte ist das?« fragte Joanna die alte Naliandrah.
    »Eine sehr wichtige Legende, Jahna«, erwiderte die weise Frau, »schau zu.«
    Die Männer tanzten zum ohrenbetäubenden rhythmischen Schlagen der Trommeln und Bumerangs um das Feuer. Die Frauen begannen zu singen. Mit ihren hohen Stimmen sangen sie Worte, die Joanna nicht verstand.
    »Bitte, Naliandrah«, sagte sie, »erzähl mir die Geschichte.«
    Die alte Frau erklärte ihr, es sei die Legende von Makpeej, der einst mit der Regenbogenschlange gekämpft hatte.
    Die beiden Männer wirbelten mit ihren großen, weiten Sprüngen Staub auf. Ja, es war ein Kriegstanz, aber andererseits, wie Joanna fand, auch ein harmonischer Tanz. Sie hörte, wie Naliandrah mit brüchiger Stimme die Geschichte von Makpeej und seiner schwangeren Frau erzählte, die von den Toten als Geister geschickt wurden, denn ihre Haut war weiß.
    Joanna hörte gespannt zu und sah, wie plötzlich ein dritter Tänzer in den Kreis trat. Er hatte lange Gräser in den Haaren und seinen Körper von Kopf bis Fuß weiß bemalt.
    »Aber Makpeej war böse«, fuhr Naliandrah fort, »er hat die Regenbogenschlange zornig gemacht, und sie hat Makpeej verschlungen.«
    Noch mehr Tänzer erschienen. Sie bewegten sich hintereinander in einer Reihe und hatten ihre Körper in den Farben des Regenbogens bemalt. Sie umkreisten den Mann, der Makpeej war, und er verschwand.
    »Aber weil Makpeej böse war«, erzählte Naliandrah, »würgte die Regenbogenschlange, und aus ihrem Maul sprang ein Mädchen. Es hatte wie Makpeej weiße Haut.«
    Das rhythmische Schlagen der Bumerangs wurde lauter, als ein kleiner Tänzer erschien. Er war am ganzen Körper weiß. Er drehte sich langsam und schwankte um das Lagerfeuer.
    »Jetzt mußte die Regenbogenschlange das weiße Kind fressen«, sagte Naliandrah, »aber eine junge Frau des Stammes
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