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Traumschlange (German Edition)

Traumschlange (German Edition)

Titel: Traumschlange (German Edition)
Autoren: Rainer Wekwerth
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alles aus.
     
     
    28. Fürchte dich nicht
     
    Ferre führte Abby durch den Kellergang. Es roch muffig nach faulender Feuchtigkeit. An den Wänden tropfte Kondenswasser herab und bildete kleine Pfützen auf dem Steinboden. Nach wenigen Metern bog Patrick ab. Kurz darauf standen sie vor einer massiven Kellertür, die wie der Eingang durch einen Sperrriegel gesichert wurde.
    „Hier ist es“, sagte Ferre leise.
    „Mach die Tür auf.“ Abbys Stimme fuhr durch die feuchte Luft.
    Patrick zögerte einen Moment, so als wolle er Abby die Gelegenheit geben, Atem zu schöpfen, aber dann legte sich seine Hand auf den Riegel und schob ihn zurück.
    Die Tür schwang auf.
    Es war ein kleiner Raum, drei auf drei Meter, und ähnelte einer Gefängniszelle, aber der Boden war trocken und das Verlies sauber. Außer einem Feldbett gab es nur einen einfachen Holztisch auf dem eine Schreibtischlampe diffuses Licht in die Ecken warf und einen Stuhl mit dünnen Rohrbeinen.
    Linda saß auf dem Stuhl, den Rücken dem Eingang zugewandt. Sie summte leise ein Lied. Im Takt der Melodie wiegte sie ihren Kopf hin und her. Der Rest ihres Körpers blieb unbewegt. Steif, die Hände auf die Tischplatte gelegt, saß sie da und summte.
    Abby trat vorsichtig näher. Linda zu berühren, wagte sie nicht, aus Angst sie erschrecken zu können.
    „Linda“, flüsterte sie sanft.
    Die Melodie verstummte abrupt. Stille kehrte ein.
    „Linda, ich bin es. Abby.“
    Wie eine mechanische Puppe wandte sich Linda auf dem Stuhl herum. Sie war noch immer so schön wie früher, auch wenn die Bleiche ihrer Haut sie zart und zerbrechlich wirken ließ. Ihre Haare waren ordentlich gebürstet und fielen in strahlenden Locken auf ihre Schultern herab. An ihrem Körper schlotterte ein weites, einfaches Bauernkleid und verriet, dass sie mehrere Kilogramm abgenommen haben musste.
    Lindas Augen tasteten sich durch den Raum, verweilten kurz bei Patrick, der aus dem Hintergrund näher getreten war, bevor sie sich auf Abby richteten.
    „Erkennst du mich?“, fragte Abby.
    „Abby.“ Kindliche Freude überzog ihr Gesicht. Sie lächelte.
    Abby wagte es die vier Schritte zu ihrer Schwester zurückzulegen. Vorsichtig ging sie vor ihr in die Hocke. Ihre Hände umfassten die Lindas Hände und drückten sie zärtlich.
    „Ich bin gekommen, um dich abzuholen.“
    „Wo ist Mom?“, fragte Linda. Ihr Blick huschte umher. „Ist sie nicht hier?“
    „Nein, Linda, aber ich bin ja da.“
    „Das ist schön.“ Der nächste Satz trieb Abby die Tränen in die Augen. „Lass uns ein Lied singen.“
    Linda stimmte eine Melodie an, die Abby noch aus ihren Kindertagen kannte. Es war das Lied über den Seemann, der sich in eine Meerjungfrau verliebt hatte und nun zum Grund des Meeres sank.
     
    Fürchte Dich nicht und folge mir
    Unser Himmel ist die Nacht
    Zum Grund des Meeres wollen wir
    Bald ist alles vollbracht.
     
    „Linda, bitte verzeih mir, aber wir können jetzt nicht singen. Wir müssen gehen“, unterbrach sie Abby.
    „Wohin?“
„Nach Hause.“
    „Das ist schön.“
    Abby umschloss Lindas Hände fester und zog sie auf die Füße.
    „Wo sind deine Schuhe?“, fragte sie, als sie bemerkte, dass ihre Schwester barfuss war.
    „Unter dem Bett.“
    Abby bückte sich danach und zog sie hervor. Es waren einfache Leinensandalen mit einer geflochtenen Bastsohle. Sie hielt die Schuhe so, dass Linda sie anziehen konnte.
    „Bist du soweit?“, fragte Abby.
    Die Antwort war ein glückliches Lächeln.
     
     
    Patrick Ferre hatte die ganze Zeit geschwiegen und die beiden Schwestern beobachtet. Er wollte Abby gerade auffordern, sich zu beeilen, als ein harter Gegenstand in seinen Rücken gepresst wurde.
    „Mach keine falsche Bewegung und das Ding bläst deine Gedärme an die Wand!“, knurrte Stimme seines Stiefvaters.
    Ferre war viel zu überrascht, um reagieren zu können. Er wusste, dass der Alte ihn mit einer doppelläufigen Schrotflinte bedrohte, jeder Versuch Widerstand zu leisten, hätte seinen Tod bedeutet.
    „Los zur Seite!“, befahl Castor.
    Patrick zog sich an die linke Wand der Zelle zurück. Die Waffe folgte jeder seiner Bewegungen, schwenkte aber dann auf Abby, die mit kreidebleichem Gesicht Julius Castor anstarrte. Linda stand neben ihr und trippelte ungeduldig mit den Füßen.
    „Halten Sie Ihre Schwester fest. Wenn Sie einen Schritt macht, schieße ich.“
    Abby schob Linda zurück zum Stuhl und sagte ihr, sie solle sich setzen. Gehorsam nahm Linda Platz.
    „Bring ihn
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