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Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition)
Autoren: Khaled Hosseini
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Nähten platzen.«
    » Plus on est de fous, plus on rit «, sagt sie. »Wie heißt das übersetzt? Je mehr, desto lustiger?«
    »Je voller die Bude, desto bombiger die Stimmung.«
    » Ah, voilà. C’est ça .«
    »Und die Kinder? Wo werden sie …«
    »Pari?«
    Ich schaue sie an. »Ja?«
    Sie atmet tief aus. »Du kannst es mir jetzt geben.«
    Ich nicke, dann greife ich nach der zwischen meinen Füßen stehenden Handtasche.
    Ich hätte es eigentlich schon vor Monaten finden müssen, als ich Babas Umzug ins Pflegeheim vorbereitet habe. Aber der oberste von drei Koffern, die im Flurschrank lagen, bot genug Platz für seine Sachen. Danach fasste ich endlich den Mut, das Schlafzimmer meiner Eltern auszumisten. Ich riss die alten Tapeten ab, strich die Wände neu. Ich schaffte das Ehebett hinaus, die Kommode meiner Mutter mit dem ovalen Schminkspiegel, nahm die Anzüge meines Vaters aus dem Schrank, die Blusen und in Plastikfolie verpackten Kleider meiner Mutter und brachte alles in die Garage, um es später zu Goodwill zu fahren. Ich stellte meinen Schreibtisch in ihr Schlafzimmer, das mir jetzt als Büro dient und in dem ich lernen werde, wenn im Herbst das Studium beginnt. Ich räumte auch die vor meinem Bett stehende Truhe aus, stopfte mein altes Spielzeug, meine Kinderkleider und die zu klein gewordenen Sandalen und Tennisschuhe in einen Müllsack. Ich ertrug den Anblick der Karten nicht mehr, die ich zum Muttertag und zum Geburtstag für meine Eltern gemalt hatte. Ich fand nachts keinen Schlaf, weil ich wusste, dass sie direkt vor meinen Füßen lagen. Das tat zu weh.
    Aber dann, ich wollte gerade den Flurschrank aufräumen und schleppte die zwei verbliebenen Koffer in die Garage, hörte ich, wie in einem etwas klapperte. Ich öffnete den Koffer und fand ein in mehrere Lagen braunen Packpapiers gewickeltes Päckchen, auf dem ein Briefumschlag klebte. Darauf stand auf Englisch: Für meine Schwester Pari . Ich wusste sofort, dass es Babas Handschrift war, denn ich hatte sie in seinem Kabob-Haus oft genug auf den Bestellzetteln gesehen, die er neben die Kasse gelegt hatte.
    Ich übergebe Pari das ungeöffnete Päckchen.
    Sie legt es auf ihren Schoß und betrachtet es lange, streicht über die Aufschrift des Umschlags. Am anderen Flussufer beginnen die Kirchenglocken zu läuten. Ein Vogel, der auf einem aus dem Wasser ragenden Felsen sitzt, pickt in den Eingeweiden eines toten Fisches.
    Pari wühlt in ihrer Handtasche. » J’ai oublié mes lunettes «, sagt sie. »Ich habe meine Lesebrille vergessen.«
    »Soll ich dir den Brief vorlesen?«
    Sie versucht, den Umschlag vom Päckchen zu reißen, aber ihre Finger sind heute sehr steif, und so gibt sie bald auf und reicht mir das Päckchen. Ich löse den Umschlag und öffne ihn. Ich hole einen Zettel heraus.
    »Das ist Farsi.«
    »Aber du kannst es lesen, non ?«, fragt Pari, die sorgenvoll die Stirn runzelt. »Du kannst es übersetzen.«
    »Ja«, sage ich und lächele leise in mich hinein, bin im Nachhinein dankbar für die Dienstagnachmittage, an denen Baba mich zum Farsi-Unterricht geschleift hat. Ich muss an ihn denken, stelle mir vor, wie er orientierungslos, mutterseelenallein und verhärmt durch eine Wüste stolpert und dabei eine Spur all jener kleinen, schimmernden Dinge hinter sich herzieht, die das Leben ihm entrissen hat.
    Der Wind ist böig, und ich halte den Zettel gut fest, lese Pari die drei hingekritzelten Sätze vor.

    Man hat mir gesagt, dass ich in Wasser gehen muss, die mich bald verschlingen werden. Bevor ich aufbreche, lasse ich dies für Dich am Ufer zurück. Ich bete darum, dass Du es finden wirst, Schwester, damit Du weißt, wen ich im Herzen trug, als ich unterging.

    Ich falte den Zettel zusammen, öffne ihn dann wieder. Er ist datiert. August 2007. »August 2007 …«, sage ich. »Da wurde seine Krankheit diagnostiziert.« Drei Jahre, bevor Pari sich bei mir gemeldet hat.
    Pari nickt, wischt sich mit dem Handrücken über die Augen. Ein junges Paar fährt auf einem Tandem vorbei, vorn das Mädchen, blond, rosig und schlank, dahinter der Junge mit Dreadlocks und kaffeebrauner Haut. Ein paar Meter entfernt liegt eine Teenagerin mit schwarzem, ledernem Minirock im Gras und spricht in ein Handy, neben sich einen angeleinten, schwarzen Terrierwelpen.
    Ich reiße das Päckchen für Pari auf. Es enthält eine alte Teedose mit dem verblassten Bild eines bärtigen Inders in einem langen, roten Gewand auf dem Deckel. Er präsentiert eine dampfende Tasse
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