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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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standen im krassen Gegensatz zu seinem hängenden Gesichtsfleisch.
    Auf der nächsten Seite hielt dieser Mann ein bildhübsches Mädchen im Arm. Seine Enkelin? Keineswegs. Seine Frau.
    Die weiteren Fotos dokumentierten die Hochzeit in Thailand. Blumen wurden gestreut, man aß kniend aus Reisschalen, orange gekleidete buddhistische Mönche traten als Statisten auf. In alle Gesichter war ein strahlendes Lächeln gemeißelt.
    Obwohl ich mit genau solchen Dingen gerechnet hatte, war ich erstaunt. In Thailand hatte der rüstige Rentner mit seinen Pensionsansprüchen für alle ein paar fröhliche Tage bezahlt. Wie würde das aber jetzt aussehen, zurück in der Bundesrepublik?
    Ich konnte es mir schlicht nicht vorstellen.
    „Falls Sie für uns arbeiten, stellen wir Ihnen solche Fotos natürlich zur Verfügung. Damit kann man auch den Letzten überzeugen. Das Glück ist noch für jeden käuflich. Mit unserem Rundum-Sorglos-Angebot zum Beispiel ...”
    Ich bat um eine Tasse Kaffee. Der Typ musste nicht erst mit dem Finger schnippen. Aus den daneben liegenden, europäisch eingerichteten Büroräumen tippelte sofort eine Frau herein und servierte. Ich bat um Milch und Zucker. Alles kein Problem.
    Ich sollte eine Verkaufslizenz mit Gebietsschutz für den gesamten Landkreis erhalten. Hundertdreißig andere Lizenznehmer gab es in der Bundesrepublik. Jeder zahlte dafür monatlich dreihundert D-Mark an die Zentrale.
    Ich überschlug es schnell im Kopf. Also würde man hier, auch wenn nicht ein einziges Mädchen verkauft wurde, trotzdem monatlich rund vierzigtausend D-Mark kassieren.
    Der Typ bot mir einen Fünfjahresvertrag an.
    Ich wendete ein, dass ich dann praktisch sein Angestellter würde, aber ich gleichzeitig meinen Arbeitgeber bezahlte. Das fand ich komisch.
    Er lachte. In solchen Kategorien dachte er nicht. Diese Zeiten waren vorbei. Heute war jeder ein einzelner Unternehmer. Deswegen nannten sich die Händler vor Ort ja nicht Vertreter, sondern Lizenznehmer. Sie hatten eigene kleine Firmen zu gründen, die im Handelsregister ordnungsgemäß eingetragen werden mussten, worauf er mich gleich energisch hinwies. Ich sollte also nicht nur Mädchenhändler werden, sondern mich auch noch als Firma begreifen.
    Während ich meinen Kaffee schlürfte, lauschte ich dem weiteren Angebot.
    „Für eine Vermittlung zahlt der Kunde 5.677,20 D-Mark. Davon erhalten Sie – je nach Monatsleistung – gestaffelte Provisionen. Für den ersten Vertrag stehen Ihnen dreißig Prozent zu. Das macht 1.703 Mark und 16 Pfennige. Für den zweiten Vertrag fünfunddreißig Prozent, also 1.987 Mark und 2 Pfennige, für den dritten Vertrag siebenunddreißigeinhalb Prozent, das macht 2.120 Mark, für den vierten Vertrag schon vierzig Prozent, ab dem achten Vertrag bekommen Sie von uns die höchstmögliche Provision von fünfzig Prozent, macht 2.838 Mark 60.”
    Er lehnte sich zurück, um in Ruhe zu genießen, wie seine Worte auf mich wirkten. Ich ließ mich auf die Pfennigfuchserei ein und fragte, warum ich denn bitte schön bei so großen Abschlüssen noch eine Lizenzgebühr zu bezahlen hätte. Immerhin müsste ich, um die Frauen zu verkaufen, auch vor Ort in den Lokalzeitungen werben, wendete ich ein.
    Gleich gestand er mir zu, ab der zweiten Vermittlung die Lizenzgebühr fallen zu lassen. Dies sei nur nötig, damit keine schwarzen Schafe das Gebiet blockierten und nicht ordentlich arbeiteten. „Heutzutage gibt es Leute, die nur gerade so viel arbeiten, wie sie zum Leben brauchen. Denen reicht es vielleicht, einen Vertrag im Monat zu vermitteln und dann machen sie sich einen lauen Lenz. Und vielleicht arbeiten sie mal einen Monat gar nicht, wenn sie vorher zwei Verträge hatten. Damit so etwas nicht passiert und die Firma keinen Schaden erleidet, erheben wir die Lizenzgebühr.”
    Bei den meisten Kunden wäre es in der ersten Euphorie auch möglich, ihnen noch eine Weltreise oder eine Abenteuerreise zu verkaufen. Für so etwas bekäme ich dann Provisionen zwischen 2.290 Mark für eine Hochzeitsreise und 3.170 Mark für eine Weltreise.
    Ich hatte genug von den Zahlen und wollte jetzt eigentlich auf die Motivation seiner Kunden zu sprechen kommen. Ich stand auf, ging im Tempel ein wenig auf und ab und zog wie unabsichtlich eine Akte hervor. Sie war von dem Lizenznehmer in Landshut. Beim flüchtigen Durchblättern zählte ich zwanzig Verträge, die er im letzten Monat angeschleppt hatte.
    Der Typ deutete mein Erstaunen richtig.
    „Jaja”, lachte er,
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