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Traeumen Roboter von elektrischen Schafen?

Traeumen Roboter von elektrischen Schafen?

Titel: Traeumen Roboter von elektrischen Schafen?
Autoren: Philip K. Dick
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zur Feststellung eines Minimums an Geistesgaben durchgefallen war. Damit galt er als geistig minderbemittelt. Trotzdem existierte er. Er fuhr für eine Reparaturfirma für nachgemachte Tiere einen Lieferwagen. Der düstere, wortkarge Hannibal Sloat, Chef der “Van Ness Haustier-Klinik” behandelte ihn als Menschen, und dafür war er ihm dankbar. “Und Ihr Gatte, Mrs. Klugman, fühlte sich auch nicht sicher”, fuhr der Sprecher fort, “obgleich er eine unbequeme bleierne Strahlungsschutzkleidung besaß und auch ständig trug?”
    “Mein Mann …”, begann Mrs. Klugman, aber in diesem Augenblick war Isidore mit Rasieren fertig, rannte hinüber ins Wohnzimmer und schaltete ärgerlich den Fernseher aus.
    Schweigen. Es schlug ihm von jedem Möbel und von den Wänden entgegen und traf ihn mit so schrecklicher Gewalt wie ein übermächtiger Stromstoß. Es stieg vom Fußboden auf, von dem zerschlissenen grauen Bodenbelag. Es entstieg auch den kaputten oder beschädigten Küchengeräten, den toten Maschinen, die schon nicht mehr funktioniert hatten, als Isidore hier einzog. Es strömte aus der nutzlosen Stehlampe im Wohnzimmer und verschmolz mit dem unerträglichen Schweigen, das sich von der fleckigen Zimmerdecke her absenkte. Dieses Schweigen ging tatsächlich von jedem Gegenstand in seinem Blickfeld aus, als ob es an die Stelle der greifbaren Dinge treten wollte. Daher schmerzte es nicht nur in seinen Ohren, sondern auch in seinen Augen.
    Isidore fragte sich, ob die anderen, die auf der Erde geblieben waren, die Leere auch so empfanden. Oder lag das nur an seiner biologischen Eigenart, seinem gestörten Empfindungsvermögen? Eine interessante Frage, dachte Isidore. Aber mit wem sollte er darüber reden? Er lebte allein in diesem verfallenen blinden Gebäude mit seinen tausend menschenleeren Wohnungen, das, wie alle anderen Bauwerke auch, Tag für Tag mehr seinem unwiderruflichen Ende als Ruinenhaufen entgegenging.
    Bis dahin würde er natürlich längst tot sein - auch ein interessantes Ereignis, an das er denken mußte, als er mitten in seinem gespenstischen Wohnzimmer stand. Na schön, dachte er, gehen wir wieder an die Arbeit.
    Er streckte schon die Hand nach dem Türknopf aus; die Tür öffnete ihm den Weg hinaus auf den unbeleuchteten Korridor; er schreckte vor der gähnenden Leere des riesigen Gebäudes zurück. Da draußen lauerte sie, diese Leere, die vorhin schon gierig züngelnd in seine Wohnung eingedrungen war. Gott im Himmel! dachte er und schloß die Tür wieder. Er war noch nicht bereit für den Weg über hallende Treppen hinauf zum leeren Dach, wo er kein Tier besaß und wo das Echo seiner eigenen Schritte ihm entgegenschlug. Es wird Zeit, die Griffe zu packen, sagte er sich und ging hinüber ins Wohnzimmer zu seinem schwarzen Gefühlskasten.
    Als er das Gerät einschaltete, rief der elektrische Strom den gewohnten schwachen Geruch nach negativen Ionen hervor. Er atmete ihn gierig ein und fühlte sofort den inneren Auftrieb. Dann glomm die Kathodenröhre wie die matte Imitation eines Fernsehbildes. Eine Collage erschien, ein Gewirr von Farben, Streifen und Formen. Er holte tief Luft, sammelte sich und nahm die Griffe fest in beide Hände.
    Ein Bild formte sich. Plötzlich sah er die berühmt gewordene Landschaft, den alten, braunen, kahlen Hang, von dem vereinzelte Stauden von Unkraut wie verdorrte Knochen schräg in einen trüben sonnenlosen Himmel aufragten. Eine Gestalt quälte sich den Hügel hinan - ein alter Mann in einem stumpffarbenen, weiten Umhang, der so ärmlich wirkte, als sei er ein Stück des feindlich-leeren Himmels. Dieser Mann, es war Wilbur Mercer, kämpfte sich voran; John Isidore umklammerte die beiden Griffe und merkte, wie das Wohnzimmer um ihn allmählich verschwand. Die Wände lösten sich auf, er nahm sie nicht mehr wahr. Statt dessen betrat er, wie schon so oft, die düstere Landschaft unter einem düsteren Himmel. Gleichzeitig beobachtete er nicht mehr als Zuschauer den Aufstieg des alten Mannes. Seine eigenen Füße suchten jetzt Halt auf den losen Steinen, er spürte unter seinen Sohlen den harten Druck des Gerölls, und wieder roch er den ätzenden Dunst; es war kein irdischer Himmel, sondern der Himmel einer fremden, fernen Gegend, in die er durch den Gefühlskasten versetzt wurde. Der Wandel hatte sich auf die gewohnte verblüffende Art und Weise vollzogen. Er wurde physisch eins mit Wilbur Mercer und identifizierte sich auch geistig und seelisch mit ihm. Genau
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