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Traeum weiter Baby

Traeum weiter Baby

Titel: Traeum weiter Baby
Autoren: Andrea Brown
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wechselte der Typ seine Unterwäsche zu selten, oder er wußte, daß die Reise nicht lange dauern würde, weil er seinen Auftrag schnell erledigen konnte. Er war der Kollege der islamischen Agentin, der die Handschellen dabeihatte.
    Der kleine Nachwuchs-Cop war natürlich über die bevorstehende Aktion informiert. Er guckte uns so neugierig an, weil er ein sadistisches Vergnügen daran hatte, zu beobachten, wie Leute die letzten Minuten ihrer Freiheit, ohne jede Vorahnung dessen, was gleich auf sie zukommen würde, unbefangen verbrachten. Dieses Kind war eiskalt. Jetzt hatte es seinen Blick so starr auf mich gerichtet, daß ich die Provokation erwidern mußte und zurückstarrte.
    »Wie heißt das Baby«, fragte er plötzlich.
    Als ob er das nicht längst wüßte! Ich hätte nie gedacht, daß ein Kind so hinterhältig sein kann.
    »Schttt«, machte die Mutter und deutete auf den schlafenden |238| Moritz. Sie wollte wohl nicht, daß ihr Kleiner Kontakt zum Feind aufnahm.
    Ich dachte, daß ein bißchen Fraternisation die Fronten aufweichen könnte.
    »Er heißt Moritz«, sagte ich.
    »Und wo wart ihr im Urlaub?« führte der Kleine das Verhör in akzentfreiem Deutsch fort.
    »In Venedig.«
    »Wir waren bei meiner Tante«, behauptete der durchtriebene Kleine, »sie wohnt in Padua.«
    »Aha«, sagte ich spitzfindig, »und wie sieht es da aus?«
    Der Kleine war Profi. Er war auf Fangfragen vorbereitet.
    »Es gibt da einen tollen Dom. Er ist riesengroß, und die toten Knochen des heiligen Antonius liegen dort in einem Glaskasten. Lauter Knochen und sein Gebiß.«
    Er grinste mich an, doch ich ließ mich durch die schaurige Eröffnung nicht aus der Fassung bringen.
    »Und wieso seid ihr in Venedig in den Zug gestiegen, wenn ihr vorher in Padua wart?«
    Ich war gespannt, wie das Drogendezernat ihn für diese Trickfrage gebrieft hatte.
    »Wir wollten das mal sehen, wenn wir schon in Italien sind«, behauptete der Kleine schnell.
    »Und, was genau habt ihr gesehen?«
    »Das Gefängnis«, sagte der Kleine herzlos.
    Sascha stöhnte genervt, und der Mann, der in Mestre zugestiegen war, beobachtete uns mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Das Gefängnis ist ganz schlimm und dunkel«, trampelte die kleine Ratte weiter auf meinen Nerven herum, »und in den Bleikammern sind über hundert Häftlinge gestorben! Einer davon war Casanova. Das war ein Mann, der…«
    »Ich weiß, wer Casanova war«, unterbrach ich den |239| kleinen Polizisten barsch, »und meines Wissens ist er aus dem Gefängnis abgehauen!«
    Wenn sein syphilitisches Gehirn eine Strategie entwickelt hatte, den Bleikammern zu entgehen, werde ich auch einen Weg finden, um nicht in den Knast zu kommen, kapiert, Kleiner? Ich werde Matthias anrufen. Er ist Anwalt. Er wird mich da rausholen. Und Paula wird mir auch helfen. Ich muß sie anrufen.
    »Gibst du mir mal meine Tasche? Oder nur das Handy daraus…?«
    Sascha guckte mich mißtrauisch an: »Wen willst du denn anrufen?«
    »Paula«, sagte ich, »Bescheid sagen, daß wir wiederkommen.«
    »Reicht es nicht, wenn du das von zu Hause aus machst?«
    Nein, weil wir verhaftet werden, bevor wir unsere Wohnung überhaupt betreten können, und vom Knast aus darf man bekanntlich nur einen Anruf machen.
    Ich schüttelte den Kopf. Sascha reichte mir das Handy.
    »Ich glaube, der Akku ist leer«, sagte er.
    Verdammt! Ich hatte vergessen, das Teil gestern abend wieder aufzuladen. Das war’s dann.
    »Dann gib mir deins. Keine Sorge, ich guck nicht wieder nach der SMS von Doro!«
    Sascha seufzte, dann reichte er mir aber das Handy und guckte wieder zum Fenster raus. Ich wählte Paulas Nummer, hatte aber kein Netz. Ich sollte es wieder probieren, wenn wir durch die Alpen waren, sagte der Schaffner, der an mir vorbeilief, als ich es zum fünfzigsten Mal versuchte.
    Als ich wieder ins Abteil kam, war der Mann aus Mestre mitsamt Koffer verschwunden. Die islamische Polizistin war gerade dabei, ihren Proviant auszupacken. Sie hielt mir ein Stück Fladenbrot vors Gesicht.
    |240| »Essen«, sagte sie.
    Das sollte wohl meine Henkersmahlzeit sein. Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein danke.«
    »Das ist Felafel«, sagte der Junge, »hat meine Tante gemacht. Sie ist die Beste!«
    Warum nicht? In Zukunft würde ich mich ohnehin auf Staatskosten ernähren, warum also nicht gleich damit anfangen? Ich biß in das Brot. Es war mit einer Knoblauchpaste und Salat gefüllt und schmeckte sehr gut. Genau so einen Imbiß hatte ich jetzt gebraucht. Kalorien sind gut
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