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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes
Autoren: Di Morrissey
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Freiwilligen Verteidigungskorps feuerte voller Zorn und Erbitterung ihre Gewehre auf sie ab, aber sie waren kein ernsthafter Gegner für die
Zeros
, die nun, um ihren Ballast loszuwerden, ihre Brennstofftanks, denen sie ihre große Reichweite verdankten, leerten. Doch ein holländischer Maschinengewehrschütze, der seine Waffe in der Flugzeugwerkstatt repariert hatte, verfeuerte seine ganze Munition auf einen abdrehenden Japaner und landete einen Treffer.
     
    Der japanische Pilot blickte über die Schulter, sah die getroffene
Zero
abtrudeln und sagte sich, daß der Verlust einer Maschine ein kleiner Preis für die Ehre war, die sie gerade dem Kaiser erwiesen hatten.
    Nachdem die
Zeros
ihre Mission beendet hatten, kehrten sie um und nahmen Kurs auf Timor und ihren Stützpunkt bei der Stadt Kupang, wo seit dem Ende des 19. Jahrhunderts so viele Taucher für die Perlenfischerei in Broome angeworben worden waren.
    Anders als sonst brauchte Takeo Yoshikuri ungewöhnlich lange, um sich in seine Formation einzureihen. Vorher flog er noch eine weite Runde über Broome und schaute mit großer Neugier auf die ziemlich heruntergekommene, sich wuchernd ausbreitende kleine Stadt hinunter. Er hatte so viel von ihr gehört, konnte aber nichts erkennen, was ihm die Anziehungskraft begreiflich gemacht hätte, die das Städtchen immer noch auf seinen Vater ausübte, der einen so großen Teil seines Lebens dort als Taucher verbracht hatte.
    Takeo gab Gas, um die anderen einzuholen, und erinnerte sich an ein Foto, das sein Vater zu Hause aufgestellt hatte. Er war darauf als junger Mann in seinem Taucheranzug zu sehen, wie er an Deck eines Loggers stand, neben dem großen australischen Kapitän. Wie hieß der doch gleich? Vater hatte immer von ihm erzählt. Plötzlich fiel ihm der Name ein. Ach ja, Kapitän Tyndall. Und als er seine Position in der Formation einnahm, fragte sich Takeo, was Kapitän Tyndall wohl heute machte.
     
    Broome 1995
    Im Leseraum des Historischen Museums von Broome gelangte Lily zum letzten Eintrag in Olivias Tagebuch.
    24. Juni 1953
    Eine Woche ist es jetzt her, daß Georgiana und Lily nach Sydney zurückgeflogen sind, und ich vermisse sie so sehr! Ihr Besuch hat so viel Licht in mein Leben gebracht wie die Sonne von Broome in der Trockenzeit. Georgie ist so flatterhaft wie schon immer, sprüht vor Begeisterung für alles und schmiedet tausend Pläne, nachdem sie nach der Scheidung Amerika verlassen und sich in Sydney niedergelassen hat. Lily ist ein wunderschönes Kind, das einen sehr ernsten Charakterzug besitzt und eine Intelligenz, mit der es die Kleine, wie ich meine, weit bringen wird. Sie erinnert mich so sehr an Hamish. Wir haben herrliche Momente zusammen erlebt, vor allem im Garten. In ihrer Gesellschaft fühlte ich mich um Jahre verjüngt und spürte eine Energie, die ich nicht mehr zu besitzen glaubte. Jetzt ist alle Energie verflogen, und ich bin wieder ganz meinen Erinnerungen überlassen …
    Darunter hatte jemand gestempelt: Gestorben am 15. Juli 1953.
     
    Lily schloß das Tagebuch, das sie in den letzten Tagen gelesen hatte, und stützte ihr Kinn auf die Hände. Das Tagebuch hatte ihr viel über das Leben der Menschen verraten, die jetzt eine solche Bedeutung für sie gewonnen hatten.
    Sie fühlte sich unendlich erschöpft, hätte aber gleichzeitig jubeln können. So viele Gedanken, so bewegende Gefühle, überströmende Liebe, Stolz und ehrfürchtige Achtung hatte sie für diese Menschen empfunden, in deren Lebensweg sie nun eingetaucht war. Diese Frauen ihrer Vergangenheit waren ein Teil von ihr, doch dieses Wissen war fast zu überwältigend für sie.
    Nachdem sie sich durch etwa zwei Drittel des Tagebuchs gelesen hatte, war der erste alarmierende Fingerzeig aufgetaucht, in ihr könnte das Blut von Aborigines fließen. Als sich ihre Verbindung zu Niah dann bestätigte – über Maya, die Großmutter, die sie nie kennengelernt hatte –, stand sie zuerst unter Schock. Und sie hatte diese Tatsache bis jetzt nicht verarbeitet, sondern in eine Art Wartezone ihres Bewußtseins abgeschoben, bis sie die faszinierende Geschichte zu Ende gelesen hatte.
    Nun saß sie reglos zwischen den Möbeln und Erinnerungsstücken einer anderen Ära, der Ära von John und Olivia Tyndall. Daß im letzten Eintrag mit so liebevoller Zuneigung von ihr gesprochen wurde, hatte sie tief bewegt. Sie kämpfte gegen ihre Tränen, als plötzlich jemand hereinplatzte.
    »Ich habe das Museum für heute geschlossen und
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