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Toxin

Toxin

Titel: Toxin
Autoren: Robin Cook
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Rhythmus wiedergefunden. »Okay«, sagte Kim. »Herz-Lungen-Maschine ausstellen.« In den nächsten zwanzig Minuten war es mucksmäuschenstill. Jeder im Team wußte, was er zu tun hatte, so daß kein Wort gesprochen werden mußte. Nachdem das gebrochene Brustbein mit Drähten wieder zusammengefügt war, traten Dr. Kim Reggis und Dr. Tom Bridges von dem rundum zugedeckten Patienten zurück und begannen, sich ihrer sterilen Kittel, Handschuhe und Plastik-OP-Masken zu entledigen. Im selben Augenblick nahmen die Thorax-Spezialisten die freigewordenen Plätze ein.
    »Ich möchte, daß Sie diesen Schnitt plastisch wiederherstellen«, rief Kim den Thorax-Spezialisten zu. »Haben Sie verstanden?«
    »Alles klar, Dr. Reggis«, erwiderte Tom Harkly. Tom war der leitende Thorax-Spezialist.
    »Aber machen Sie’s nicht zu Ihrem Lebenswerk!« zog Kim den Mann auf. »Der Patient war schon lange genug in Narkose.« Kim und Tom verließen den OP und traten hinaus auf den Flur. Sie gingen zum Waschbecken und schrubbten sich den Talk von den Händen. Dr. Tom Bridges war genau wie Kim Herzchirurg. Sie hatten sich seit Jahren gegenseitig assistiert und waren Freunde geworden, auch wenn ihre Beziehung zueinander in erster Linie beruflicher Natur geblieben war. Vor allem an Wochenenden sprangen sie häufig füreinander ein.
    »Das hat du wirklich gut hingekriegt«, sagte Tom. »Ich weiß beim besten Willen nicht, wie du es schaffst, die Klappen so perfekt einzusetzen und es dazu auch noch so einfach aussehen zu lassen.«
    Kim hatte sich im Lauf der Jahre vor allem auf den Ersatz von Herzklappen spezialisiert. Tom hatte sich mehr für Bypassoperationen interessiert. »Dafür wird es mir immer ein Rätsel bleiben, wie du diese winzigen Koronararterien so perfekt vernähen kannst«, entgegnete Kim.
    Er trat vom Waschbecken zurück, hakte seine Finger ineinander und streckte die Arme hoch über den Kopf. Er maß knapp einsneunzig. Dann bückte er sich und legte bei durchgedrückten Knien die Handflächen auf den Boden, um seine untere Rückenpartie zu dehnen. Kim war ein sportlicher, drahtiger und durchtrainierter Typ, der schon als Student Football, Basketball und Baseball für Dartmouth gespielt hatte. Da sein Job ihn zeitlich so stark in Anspruch nahm, mußte er sein Training zur Zeit auf ein gelegentliches Tennismatch und viele Stunden auf seinem Hometrainer reduzieren.
    Tom hingegen hatte aufgegeben. Im College hatte er ebenfalls Football gespielt, doch nachdem er jahrelang nichts mehr gemacht hatte, hatte sich seine keineswegs verlorene Muskelmasse größtenteils in Fett verwandelt. Obwohl er kaum Bier trank, hatte er einen Bierbauch.
    Die beiden Männer gingen den gefliesten Flur entlang, auf dem zu dieser Tageszeit wenig Betrieb herrschte. Nur in neun OPs wurde operiert, zwei weitere standen für Notfälle zur Verfügung. Für die Schicht von elf bis dreiundzwanzig Uhr war das normal.
    Kim strich sich über sein stoppeliges, kantiges Kinn. Wie immer hatte er sich morgens um halb sechs rasiert, doch jetzt, zwölf Stunden später, sprossen schon wieder die ersten Bartstoppeln. Er fuhr sich mit der Hand durch sein relativ langes, dunkelbraunes Haar. Als Teenager hatte er sich die Haare in den frühen Siebzigern bis über die Schultern wachsen lassen. Heute hatte er längst nicht mehr so eine Matte wie damals, doch mit seinen dreiundvierzig Jahren trug er das Haar für einen Mann in seiner Position noch immer ziemlich lang. Er warf einen Blick auf die Uhr, die er an seiner OP-Hose befestigt hatte.
    »Verdammt!« schimpfte er. »Es ist schon halb sechs, und ich habe noch nicht einmal bei meinen Patienten vorbeigeschaut. Ich wünschte, ich müßte nicht immer freitags operieren. Das bringt immer sämtliche Wochenendpläne durcheinander.«
    »Wenigstens zwingt es dich dazu, deine Fälle alle nacheinander zu operieren«, wandte Tom ein. »Als du noch im Samaritan warst, war das wohl etwas anders.«
    »Erinnere mich lieber nicht daran«, entgegnete Kim. »Nachdem AmeriCare jetzt das Sagen hat und das Niveau sowieso ständig sinkt, frage ich mich, ob ich noch einmal Medizin studieren würde, wenn ich neu anfangen könnte.«
    »Geht mir genauso«, erklärte Tom. »Vor allem, wenn ich an die neuen Erstattungssätze von Medicare denke. Gestern habe ich bis spät in die Nacht herumgerechnet. Ich fürchte, nach Abzug meiner Praxiskosten wird nichts mehr übrig sein. Wohin soll das nur führen? Unsere Lage ist so prekär, daß Nancy und ich schon
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