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Toxin

Toxin

Titel: Toxin
Autoren: Robin Cook
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Zeit wertvoller war als die des Reinigungspersonals, doch er hielt den Mund. Statt dessen stellte er sich auf die Zehenspitzen und sah sich nochmals nach seinem Patienten um.
    »Was kann ich für Sie tun, Dr. Reggis?« fragte Mrs. Benson, als sie mit den Reinigungskräften fertig war und diese auf ein gerade frei gewordenes Bett zusteuerten.
    »Ich kann Mr. Glick nirgends entdecken«, erklärte Kim. In der Annahme, den Mann übersehen zu haben, ließ er seinen Blick noch immer durch den Raum schweifen. »Mr. Glick ist auf seine Station gebracht worden«, erwiderte Mrs. Benson kurz angebunden und holte ein Buch hervor, in das der Verbrauch an Betäubungsmitteln eingetragen wurde. Unbeirrt schlug sie die aktuelle Seite auf. Kim sah die Schwester verdutzt an. »Aber ich habe doch ausdrücklich darum gebeten, den Patienten hierzubehalten, bis ich mit meinem letzten Fall fertig bin.«
    »Die Werte des Patienten waren stabil«, entgegnete Mrs. Benson. »Es bestand keine Veranlassung, ihn hierzubehalten und damit ein Bett zu belegen.«
    Kim seufzte. »Aber Sie haben doch jede Menge leerstehende Betten. Es ging darum…«
    »Entschuldigen Sie, Dr. Reggis«, fiel Mrs. Benson ihm ins Wort. »Mr. Glick war in klinischer Hinsicht soweit, daß er die Aufwachstation verlassen konnte.«
    »Aber ich hatte doch darum gebeten, ihn hierzubehalten«, beharrte Kim. »Das hätte mir eine Menge Zeit erspart.«
    »Bei allem Respekt, Dr. Reggis«, entgegnete Mrs. Benson. »Das Personal auf der Aufwachstation arbeitet nicht für Sie persönlich. Wir haben unsere Vorschriften. Wir arbeiten für AmeriCare. Falls Sie ein Problem damit haben, schlage ich Ihnen vor, sich an die Krankenhausverwaltung zu wenden.« Kim spürte, daß er rot anlief. Er setzte zu einem Vortrag über die Vorteile von Teamwork an, doch er gab schnell auf, als er sah, daß Mrs. Benson sich bereits auf die vor ihr liegende Loseblattsammlung konzentrierte.
    Ein paar derbe Schimpfworte vor sich hinmurmelnd verließ Kim die Aufwachstation und sehnte sich nach der guten alten Zeit im Samaritan Hospital zurück. Er überquerte den Flur und stoppte an der OP-Rezeption, um sich über die Gegensprechanlage nach dem aktuellen Zustand seines letzten Falles zu erkundigen. Tom Harklys Stimme versicherte ihm, daß die Schließung des Brustkorbs planmäßig verlief. Daraufhin verließ Kim den OP-Trakt und ging den Flur entlang auf die neu errichtete Familien-Lounge zu. Sie war eine der wenigen von AmeriCare installierten Neuerungen, die er für eine gute Idee hielt. AmeriCare legte Wert drauf, im Krankenhaus für Annehmlichkeit zu sorgen. Der Raum war insbesondere für Angehörige von Patienten eingerichtet worden, die sich im OP oder im Kreißsaal befanden. Bevor AmeriCare das University Medical Center gekauft hatte, hatte es für Familienangehörige keinen Raum zum Warten gegeben.
    Bis auf die allgegenwärtigen werdenden Väter, die nervös wartend hin- und herliefen oder Magazine durchblätterten, während bei ihren Frauen Kaiserschnittoperationen durchgeführt wurden, war in dem Raum zu dieser Tageszeit nicht viel los. Ganz hinten in der Ecke saß ein Priester, der einem trauernden Paar seelischen Beistand leistete.
    Kim hielt nach Mrs. Gertrude Arnold Ausschau, der Frau seines letzten Patienten. Er war nicht gerade erpicht darauf, mit ihr zu reden, denn er konnte ihre hitzige und trotzige Art nur schwer ertragen, aber er wußte, daß es seine Pflicht war. Er entdeckte die ältere Dame in der Ecke gegenüber dem trauernden Paar. Sie las eine Zeitschrift.
    »Mrs. Arnold«, begrüßte Kim die Frau und bemühte sich zu lächeln.
    Erschrocken hob Gertrude Arnold den Kopf. Für den Bruchteil einer Sekunde schien sie freudig überrascht, doch als sie Kim erkannte, wurde sie mit einem Schlag sichtbar wütend.
    »Das wurde ja auch höchste Zeit«, fuhr sie ihn an. »Was ist passiert? Gibt es ein Problem?«
    »Nein, überhaupt nicht«, versicherte Kim. »Ganz im Gegenteil. Ihr Mann hat die Operation gut überstanden. Er ist…«
    »Aber es ist fast sechs Uhr!« fiel sie ihm ins Wort. »Sie haben doch gesagt, Sie seien um drei Uhr fertig.«
    »Das war nur eine Schätzung, Mrs. Arnold«, entgegnete Kim, mit aller Kraft darum bemüht, seine Stimme nicht zu heben und nicht aufgebracht zu klingen. Daß die Frau ungehalten sein würde, hatte er schon befürchtet, aber auf eine derartige Attacke war er nicht gefaßt gewesen. »Der Patient, der vor Ihrem Mann an der Reihe war, hat mich etwas länger
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