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Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Titel: Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
Autoren: Unbekannt
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vor die Haustür tragen.
    Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte, trat meine Mutter aus ihrer Haustür und sagte: »Ich hab euch die Auffahrt hochschwanken sehen – ist sie wieder betrunken?«
    Daisy rutschte von meinem Rücken herunter und sagte: »Wieder, Pauline? Wieder? Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal betrunken war!«
    »Ich schon«, meinte meine Mutter. »Gestern. Ich kam vorbei, um mir eine Kippe zu schnorren, und du hast auf der Couch gelegen.«
    »Ich hab mit Gracie Notaufnahme gespielt!«, widersprach Daisy erregt.
    Inzwischen standen wir in unserem engen Hausflur. Ich zog meinen durchweichten Mantel und die Hose aus, schlüpf te in meinen Morgenmantel und ging ins Wohnzimmer. Meine Mutter und Daisy blieben im Flur stehen und unterhielten sich im Flüsterton. Dann hörte ich die erhobene Stimme meiner Mutter. »Du glaubst ja vielleicht, dass du ihm was vormachen kannst, Daisy. Aber mir nicht!«
    Bevor ich ins Bett ging, überprüfte ich die Alkoholvorräte im Küchenschrank. In der Wodkaflasche war nur noch ein sehr kleiner Rest, und alle Weihnachtsliköre und die Modegetränke (der Skorpion-Tequila, den Nigel mir zum Geburtstag geschenkt hat) waren leer.
    Freitag, 29. Juni
    Mr. Carlton-Hayes, der seit Montag wieder zur Arbeit kommt, sagte, der unablässige Regen erinnere ihn an die Überschwemmungen von 1953, als seine Tante aus ihrem Bungalow in Skegness gespült, vom Fluss mitgerissen wurde und auf dem Dach der Bushaltestelle landete. Er sagte nicht, warum er nicht im Laden gewesen war, aber ich bemerkte, dass er sehr vorsichtig geht.

Sonntag, 1. Juli
    Nichtrauchertag
    Ein bedeutsamer Tag! Ab heute ist in England das Rauchen in öffentlichen Räumen und am Arbeitsplatz verboten. Wobei man als Geisteskranker, Gefängnisinsasse, Parlamentsmitglied oder Angehöriger der Königlichen Familie von dem Verbot ausgenommen ist.
    Das Rauchen hat mein ganzes Leben vergiftet. Es gibt ein Foto von mir auf dem Arm meiner Mutter, aufgenommen an dem Tag, als sie aus dem Entbindungsheim entlassen wurde. Sie steht auf dem Parkplatz, in einem Arm hält sie mich, der andere hängt herunter, in der Hand eine brennende Zigarette.
    Ich atme Rauch ein, seit ich fünf Tage alt war. Meine Kindheitserinnerungen sind vernebelt von verqualmten Räumen und Autofahrten, die durch meine kettenrauchenden Eltern unerträglich waren. Von meinem untergeordneten Platz auf dem Rücksitz des Wagens aus flehte ich darum, ein Fenster zu öffnen, aber mein Vater wehrte das wütend mit dem Argument ab, frische Luft sei Gift für seine bronchitisanfällige Brust. Ich weiß noch, wie ich mir einmal auf einer langen Fahrt in dichtem Verkehr nach Hunstanton eine Gesichtsmaske aus einem Tempotaschentuch bastelte. Meine Eltern fanden das zum Schreien komisch und nannten mich während unseres kurzen Aufenthalts »kleiner Bandit«.
    Nach dem Frühstück (zwei Stück Weetabix, Schokocroissant, Banane) ging ich nach nebenan, um sie zum Mittagessen im Bear Inn einzuladen. Ich sagte: »Zum allerersten Mal möchte ich eine Mahlzeit genießen, ohne von euch beiden Rauch ins Gesicht geblasen zu bekommen.«
    Wütend polterte mein Vater los: »Diese verfluchte autoritäre Regierung, das ist doch eine Bande von Faschisten, Nazis!«
    Meine Mutter sah aus wie eine gebrochene Frau. »Das ist ein sehr, sehr trauriger Tag«, sagte sie.
    »Es ist nicht gerade das Ende der Zivilisation«, widersprach ich, während ich einen Rundgang durchs Zimmer machte und die Aschenbecher ausleerte.
    »Aber es ist das Ende meiner kleinen Welt«, sagte meine Mutter.
    Dann stimmte sie ein Wehklagen an, was damit nun alles verloren ginge.
    »Was verloren geht«, sagte ich, »ist euer trockener Husten, der miese Gestank, das Gefühl …«
    Nach ihrer Zigarettenschachtel tastend, unterbrach meine Mutter mich verträumt: »Ich rauche schon, seit ich dreizehn bin. Mit fünfzehn habe ich lange Handschuhe bis zum Oberarm getragen und eine Zigarettenspitze aus Schildpatt benutzt.«
    »Dafür würden sie einen heute lynchen«, warf mein Vater ein.
    »Wer würde einen lynchen?«, fragte ich.
    »Diese bescheuerten Tierschützerarmleuchter, zur Rettung der scheiß Schildkröten.«
    Meine Mutter fuhr fort. »Mit sechzehn ging ich immer in den Hot-Sounds-Jazzclub in Norwich. Da hab ich meine erste Disque Bleu geraucht.«
    »Ich war mit sechzehn schon auf Capstan Full Strength ohne Filter«, brüstete sich mein Vater.
    Ich überließ die beiden ihren Raucherreminiszenzen,
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