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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition)
Autoren: Alkestis Sabbas
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hat ihm ein Suspensorium geschenkt.
    Aktuell sind es
die Kommunikationsmittel. Jo ist fix der Ansicht, dass jede Nachricht und jedes
Telefonat von einer staatlichen Behörde mitverfolgt und aufgezeichnet wird.
Damit sollen, so Jo, die Bürger manipuliert und erpressbar gemacht werden. Also
beendet Anna derzeit jede Unterhaltung mit ihrem Kollegen mit „Habt ihr alles,
Jungs?“ - „Geheimcode Tritschtratsch – Ende und aus!“ oder „Zum Glück hören die
nur zu und sehen mich nicht. Ich hab grad nichts an.“ Besonders fies.
    „Also, was erwartet uns da heute genau?“ Da Jo immer
noch wegen der versäumten Spritztour schmollt und nicht antwortet, muss sich
Anna in ihrem Telefon die wichtigsten Informationen zusammensuchen. Notwendig
ist das eigentlich nicht, denn im Endeffekt ist doch eine Veranstaltung wie die
andere. Mehr oder weniger Reich und mehr oder weniger Schön trifft sich in
einem angesagten Lokal, wo man einander vordergründig lächelnd Hand und Wange
zum Gruße reicht und sich in kultiviertem Geplauder übt. Dann fließen ein paar
Liter Champagner und nach spätestens zwei Stunden hört man nur mehr das übliche
„Mit dem Mann ihrer besten Freundin ...? Ist der nicht schwul?“ - „Hat sie
wirklich ...? Doppel-D? Und die Nase …?“ oder „Vergiss die
Ausschreibung, du bekommst den Auftrag auch so. Dann kannst dir wenigstens das
nächste Lifting für dein Katzilein leisten …“
    Während des Publizistikstudiums hat Anna eine ganz
andere Vorstellung von Journalismus gehabt: Man wittert einen brandheißen
Skandal, recherchiert nächtelang, deckt unter Lebensgefahr Verschwörungen auf
und die Welt dankt. Lange schon hat die Realität sie eingeholt: Man gibt ihr
ein Skandälchen, sie beobachtet drei Stunden lang, deckt die offensichtliche Wahrheit
auf und nicht einmal die Redaktionspraktikantin dankt ihr. So hat sich Anna
ihre Karriere nicht erträumt.
    Trotzdem ist sie im Nachhinein dankbar, dass ihre
Eltern damals gegen ihren Willen interveniert und ihr einen Job im
Bussi-Bussi-Ressort verschafft haben. Ihre Kollegen vom Aktuellen Dienst und
von der Chronik sind weit schlechter dran: Zum einen ist Österreich ein
erdrückend ereignisloser Fleck Erde. Zum anderen gibt es sehr strenge
Einschränkungen, was Inhalte und Formulierungen betrifft - besonders seit die
drei größten Tageszeitungen vor einigen Jahren zur Österreichkrone.heute zusammengelegt worden sind. Annas Berichte sind vielleicht nicht rasend
spannend und schon gar nicht weltbewegend wichtig. Aber sie kommt ein wenig
rum, erlebt etwas und kann sich auch noch durch wunderbare Buffets naschen.
    Und sie ist in
ihrem Ressort relativ frei von Einschränkungen. Was kann man an einem Artikel
über ein zwar alkohol- und klatschgeschwängertes, aber grundsätzlich harmloses
Fest schon falsch machen? Anna hat beim Chefredakteur einige Freiheiten. Das
liegt nicht so sehr an ihr als Person, sondern viel mehr an ihr als Tochter von
Friedrich dem Großen. Mit dem legt man sich nicht an. Also auch nicht mit
dessen einzigem Kind. Und lange will Anna den Job ohnehin nicht mehr machen.
Wenn alles gut geht, wird sie sich bald einen Traum erfüllen und ein Projekt
starten, das all ihre Zeit in Anspruch nehmen wird.
    „Jo! Foto! Schnell, bevor sie wieder aufgestanden
ist!“ Behände wirft sich Jo in die Menschentraube, die sich um das gefallene
Mädchen gebildet hat. Profi, der er ist, macht er zuerst Aufnahmen des
Hinterteils, das von einem winzigen Slip nur notdürftig und vom
Designerkleidchen gar nicht mehr bedeckt ist. Mit den Worten „Machen Sie Platz,
ich bin Fotograf!“ arbeitet er sich über die manikürten Hände, die verzweifelt
an den Blättern einer Palme Halt suchen, weiter zum verwirrt blickenden
Gesicht. Abschließend geht er in die Totale und verewigt die gestrauchelte
Existenz mitsamt der Wurzel des ganzen Übels: einem abgebrochenen 12-cm-Absatz.
    „20 Sekunden!
Neuer Rekord! Und ich war der Erste!“ Mit einem zufriedenen und ziemlich
selbstgerechten Grinsen lässt Jo seinen Erfolg auf dem Bildschirm Revue
passieren und hängt die Kamera dann an seinen kleinen Computer: „Ich schick es
gleich in die Redaktion. Die werden sich anmachen.“ - „Jo, du bist echt fies.
Ich hoffe nur, dass mir nie so etwas passiert, wenn du in der Nähe bist.“ Rot
bis über beide Ohren verkriecht sich Jo hinter dem Bildschirm und murmelt:
„Anna, wenn dir das passiert, dann sind Fotos das Letzte, was ich mache …“
Amüsiert beobachtet Anna
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