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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt
Autoren: Brenda Novak
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lächelte, in Gedanken bei Madeline. “Tja, könnte man so sagen.”
    Madeline saß am Rechner und feilte am schwierigsten Artikel ihrer bisherigen Laufbahn. Ray Harper hatte etliche Liter Blut verloren und musste mehrfach genäht werden, war aber bereits aus dem Hospital entlassen und saß in Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen ihn war noch nicht eröffnet, doch mit Madelines Aussage und seinem Geständnis stand ihm eine Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs, Freiheitsberaubung und Inzest bevor, möglicherweise auch noch lebenslang wegen Mordes an Bubba Turk. Dank Hunters Hartnäckigkeit war Bubbas Leiche doch obduziert worden; petechiale Blutungen wiesen auf Tod durch Ersticken hin. Angesichts des ungefähren Todeszeitpunktes ging Toby Pontiff inzwischen davon aus, dass Bubba seinen Freund Ray bei einer kriminellen Handlung überrascht hatte, woraufhin er seinen übergewichtigen Nachbarn kurzerhand zum Schweigen brachte.
    Das klang zwar schlüssig, doch Genaueres war nicht zu erfahren. Ray verweigerte die Aussage bezüglich der Sache im Wohnwagen, war dafür aber in anderer Hinsicht außerordentlich auskunftsfreudig und berichtete jedem, der auch nur in seine Nähe kam, in den grausigsten Einzelheiten, was Barker mit Katie und Rose Lee getrieben hatte. Er und Barker, sie hätten die beiden Mädchen vergewaltigt und gequält, beide gemeinsam. Wenn die Zuhörer es kaum noch aushielten, lachte er nur und schilderte die Dinge noch ausführlicher. Offenbar geilte er sich sogar noch an Entsetzen und Abscheu auf. Grace, so seine Behauptung, habe eine ähnliche Tortur hinter sich, aber genau wisse er es nicht. Zum Glück! Ja, er brüstete sich sogar mit dem, was er in der Blockhütte alles mit Madeline hatte anstellen wollen.
    Das Schlimmste sollte jedoch noch kommen. Erst gestern Abend hatte er Toby Pontiff gestanden, dass der Reverend die kleine Katie bei einem Fluchtversuch absichtlich totgefahren hatte. Außerdem deutete er an, ihr Vater habe ihre Mutter erschossen und das Ganze anschließend als Selbstmord getarnt.
    Fast die ganze Nacht hatte Madeline kein Auge zugetan und darüber nachgedacht. Diesmal hatte sie Elizas Tagebücher ganz unvoreingenommen gelesen – um dem Wesen der Mutter, die sie in so jungen Jahren verloren hatte, auf den Grund zu gehen – und beschlossen, Ray zu glauben. Ihre Mutter hätte sie niemals aus freien Stücken im Stich gelassen. Das war die größte Lüge überhaupt, die Barker je verbreitet hatte – und gleichzeitig das einzig Positive daran, dass sie seinen wahren Charakter nun durchschaute.
    Nun war sie also in einem Bunde mit Clay, Grace und Molly. Ohne einen Vater, der diese Bezeichnung wert gewesen wäre. Lee Barker hatte sie alle um ein Haar ins Unheil gestürzt; schon deshalb fühlte sie sich zu diesem Artikel verpflichtet. Die Bürger von Stillwater, die ihn immer unterstützt und gerngehabt hatten, sie verdienten dieselbe Aufklärung, nach der sie selbst ja ständig gesucht hatte. Auslassen wollte sie nur die Sache mit Grace und die Vorfälle auf der Farm. Diejenigen Leserinnen und Leser, die nicht sowieso schon wussten, wer ihren Vater getötet hatte, mussten dann eben spekulieren.
    “Wo hat dies alles begonnen?”, schrieb sie. “Zu welchem Zeitpunkt beschließt ein Mensch, der sonst den Anschein von Güte und Normalität pflegt, der von Gott und der Goldenen Regel predigt, nur noch seinen finstersten Süchten zu frönen? Wie wird aus einem ganz normalen Mann ein Unhold? All das kann ich Ihnen nicht beantworten. Aber ich kann Ihnen berichten, wie es war, mit einem solchen Unmenschen zu leben …”
    Das Telefon unterbrach sie. Madeline hielt beim Schreiben inne und griff quer über den Schreibtisch, um den Anruf entgegenzunehmen. “Hallo?”
    “Maddy?”
    Es war Grace. Madelines Stiefschwester ließ seit dem Vorfall in der Blockhütte des Öfteren von sich hören. Ihr Leidensweg hatte sie und ihre immer ein wenig oberflächlich wirkenden Stiefschwester einander nähergebracht. Möglicherweise deswegen, weil sie beide Opfer des von ihrem Vater ausgehenden Bösen waren. “Ja?”
    “Ich hab da was gehört, das wäre bestimmt ‘ne astreine Story.” Ihre Stimme war herzlich, geradezu fröhlich.
    “Wirklich?” Grace neigte nicht dazu, sich wegen derartiger Dinge zu melden. Sie musste also tatsächlich etwas in der Hinterhand haben. “Was denn?”
    “Eine Lovestory, genau genommen.”
    Madeline kräuselte verwirrt die Stirn. “Wie bitte?”
    “Ja, weißt du denn
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