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Totes Meer

Titel: Totes Meer
Autoren: B Keene
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auf meine Anwesenheit aufmerksam machte. Zu viel Gehämmere würde Zombies und Plünderern meinen Aufenthaltsort verraten. Ehrlich gesagt hätte ich mich nicht länger mit meinen Barrikaden beschäftigen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Ich war erschöpft, sowohl körperlich als auch emotional, und weinte, während ich die billigen Nägel in die schweren Holzbalken schlug. Verzögerte Schockreaktion. Mentaler Breakdown. Vielleicht ein bisschen von beidem. Aber tief in mir wusste ich, dass ich nicht um Alan oder sonst jemanden weinte. Ich weinte um mich. Ich war nie besonders selbstmitleidig gewesen, aber diesmal fühlte ich es.
    Ich war wieder allein.
    Ich beschloss, es sicher genug zu haben und den Rest am Morgen zu erledigen. Ich fühlte mich ausgelaugt, schwach und schmutzig. Ich versuchte mich
zu erinnern, wann ich das letzte Mal geduscht hatte, und konnte es nicht. Katzenwäsche mit Schwamm und Regenwasser ist einfach nicht dasselbe.
    In der Dunkelheit aß ich eine Dose eingelegtes Obst. Ich hatte nicht viel Appetit, zwang mich aber zu essen, sogar die Ananasstücke, die ich nicht ausstehen konnte. Wie kommt es nur, dass sich in jeder Dose Fruchtcocktail, egal, welche Marke, immer zu viel Ananas finden, aber nie genug Kirschen? Wobei es mit Dosenobst wohl sowieso auf absehbare Zeit vorbei sein wird. Falls die Menschheit je wieder auf die Beine kommt, wird es wichtigere Dinge geben, um die wir uns kümmern müssen. Während ich den Saft aus der Dose trank, dachte ich an all die Lebensmittel, die ich auf der Straße zurückgelassen hatte. Früher oder später würde ich wieder rausgehen müssen. Entweder verhungern oder plündern. Tag oder Nacht – es war egal, wann ich ging. Die Gefahr wäre dieselbe. Heute Nacht war es Alan gewesen. Beim nächsten Mal konnte es mich treffen. Doch darüber wollte ich im Moment nicht nachdenken.
    Nackt und durch die Spätsommerhitze völlig verschwitzt schmiss ich mich auf mein feuchtes, dreckiges Laken. Das Kopfkissen stank, sogar gegenüber dem Mief, der von außen ins Haus drang. Das Kissen roch wie ich – nach Schmutz und Schweiß, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Ich hatte keine Möglichkeit, Wäsche zu waschen, und das Wasser war zu kostbar, um es dafür zu verwenden. Also lag ich da und wälzte mich herum. Im Dunkeln konnte
ich nicht lesen, und es schien mir zu riskant, die Taschenlampe zu benutzen. Es gab sowieso nichts Richtiges zu lesen, selbst wenn ich bereit gewesen wäre, Licht zu machen. Nur einen Stapel überfälliger Rechnungen und Kündigungen und ein paar veraltete Zeitschriften, von denen es keine weiteren Ausgaben mehr geben würde. Es ist schon erstaunlich, wie bedeutungslos und trivial die Leitartikel in Time Magazine oder Newsweek werden, Geschichten, die einmal so wichtig waren. Entrückt, wie längst Vergangenes. Ich besaß einen iPod, dessen Batterie noch funktionierte, aber ich konnte keine Musik hören, wenn niemand Wache hielt. (Alan und ich hatten in Schichten geschlafen, auch tagsüber. So war sichergestellt, dass immer einer von uns wach war und aufpasste.) Ich konnte nicht lesen, konnte nicht Musik hören und wollte nicht nachdenken. Hinzu kamen die drückenden Augusttemperaturen und die Angst und Unsicherheit, die ich fühlte. Ich war am Arsch. Ich glaubte nicht, dass ich würde schlafen können, aber schließlich tat ich es doch. Tief und fest.
    Ich erinnere mich nicht an meine Träume. Nicht in dieser Nacht und auch in keiner anderen. Ich konnte mich noch nie an meine Träume erinnern. Früher war ich immer irgendwie eifersüchtig geworden, wenn andere Leute mir von ihren Träumen erzählten. Der langweiligste Schwachsinn der Welt, aber trotzdem haben sie mich immer fasziniert. Ich fragte mich, ob meine auch so waren. Selbst ihre Albträume fesselten mich. Jetzt musste ich dafür nur nach
draußen schauen. In East Baltimore wimmelte es vor Albträumen, und genug davon konnte ich mein Eigen nennen. Stinkende, verwesende Leichen liefen in den Straßen Amok, verloren Körperflüssigkeiten und Gliedmaßen. Die Rinnsteine waren voller Eingeweide. Bei all dem Gestank und der Gefahr grenzte es an ein Wunder, dass ich überhaupt schlief.
    Ein Schrei weckte mich. Ruckartig fuhr ich hoch, riss die Augen auf und klammerte mich an das Laken. Das Geräusch war bereits verklungen, und ich fragte mich, ob es real gewesen war oder ich es mir eingebildet hatte. Vielleicht wurde ich mir endlich meiner Träume bewusst. Aus reiner Gewohnheit drehte
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