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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht
Autoren: Faber Dietrich
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Engelberg. Es ist neblig. Ich erinnere mich daran, dass es beim Skispringen im Fernsehen auch immer neblig war. Engelberg hat vermutlich ein Nebelproblem.
    Sechs Stunden waren wir bisher unterwegs. Nun ist es eins, und wir peilen das sogenannte «End der Welt» an. Engelberg ist nur aus einer Richtung zu erreichen und zu verlassen. Fährt man die Straße immer weiter, hat man einen Frontalzusammenstoß mit einem riesigen Berg. Um dies zu verhindern, werde ich unser Auto am Parkplatz vom «End der Welt» abstellen, dann mit Hund und Kindern eine Bergbahn benutzen und zu guter Letzt einen gut sechzigminütigen Aufstieg bis zur Berghütte zu meistern haben. Diesen letzten Teil habe ich meinen Kindern bisher verschwiegen. Melina ist zu Hause oft schon der dreiminütige Fußweg zur Bushaltestelle zu viel.
    Je näher wir dem Parkplatz kommen, desto nervöser werde ich. Was mache ich hier eigentlich? Franziska weiß nicht, dass wir kommen. Sie hat mir zwar als «Sandra» die Adresse gegeben, doch wird sie kaum erwarten, dass ich gleich am nächsten Morgen die komplette Besetzung ins Auto sperre, um sie zu überfallen. Vielleicht ist sie dem gar nicht gewachsen? Und was ist eigentlich, wenn Sandra doch nicht Franziska ist? Plötzlich packt mich die Panik.
    Hallo, liebe Kinder, hier ist sie, eure Mama.
    Wieso, Papa, das ist sie doch gar nicht. Diese Frau kennen wir nicht.
    Schnell beruhige ich mich selbst wieder ein wenig. Eigentlich bin ich mir sicher. Ich spüre es. Dort oben, in dieser Hütte, da gibt es keine Sandra, da gibt es eine Franziska.
    Chantal hat ihre Arbeit wieder zu meiner vollsten Zufriedenheit bewältigt. Ich bedanke mich bei ihr und parke. Wir sehen nichts. Der Nebel übertreibt, finde ich.
    «Doch», sage ich zu meinen Kindern, ohne dass sie danach gefragt hätten, «hier gibt es wirklich Berge. Sonst gäbe es hier ja auch keine Bergbahn.»
    Ich bepacke die Rucksäcke mit ihren Kindern, nein, ich bepacke die Kinder mit ihren Rucksäcken. So rum ist es richtig – ich merke immer mehr, wir nervös ich bin.
    «Nein, wir haben keine Kurkarte und leider auch keine Schweizer Franken», teile ich dem freundlich lächelnden Bergbahnkassenmenschen mit. Ich hatte zu wechseln vergessen. Doch es geht auch mit Euro, und wir schaukeln alleine in der Bergbahn stehend den unsichtbaren Berg hinauf. Wer auch sonst möchte bei solch einem Wetter auf Berge hinauf? Mein Freund, die Memme, jedenfalls nicht, stelle ich fest, als wir ruckartig fröhlich zu schaukeln beginnen. Ich betrachte das Stahlseil, an dem wir hängen, und bilde mir Rost und ein knirschendes Geräusch ein. Ich breche in Schweiß aus. Was ist eigentlich, wenn die Bergbahn infolge mangelnder Sicht ihr Ziel nicht findet? Ich versuche mich abzulenken, indem ich zu meinen Kindern blicke. Laurin ist begeistert, Melina hat ihre iTouchPod-Dings-Stöpsel im Ohr.
    «Hat die Mama Schüssel?», fragt sie.
    «Bitte?», frage ich zurück, während ich ins neblige Nichts Richtung Berg blicke und mir dabei vorstelle, gleich in denselbigen hineinzubrettern.
    «Ei, kann man da oben auch DSDS gucken?», quengelt Melina.
    «DS … was?», stammele ich kurzatmig.
    «Hohhh, Mann», bricht es dann nach langer Zeit mal wieder aus Melina heraus. «Ei, Deutschland sucht den Superstar! Heute ist doch Mottoshow.»
    Nun schaukelt’s wieder.
    «Ich glaube nicht, dass Mama dort Fernsehen hat», gebe ich zu bedenken. Es folgt ein kurzes «Fuck», und ich sehne mich dem Ende dieser Luftfahrt entgegen.
    Irgendwann ist es dann so weit. Wir steigen aus. Ich recht wackelig.
    «Sind wir jetzt daha?», fragt Laurin.
    «Nee, wir müssen noch ein Stück laufen», sage ich und packe schon mal vorsorglich zwei Tafeln Schokolade aus meinem Rucksack. Es beginnt zu nieseln. Also zerre ich auch noch die Regenjacken heraus. Sehen können wir immer noch nicht viel. Ich habe keine Ahnung, in welche Richtung wir laufen müssen. In der sehr abrupt erfolgten Entscheidung, zu Franziska zu reisen, habe ich natürlich profane Dinge wie beispielsweise eine Wanderkarte zu besorgen nicht bedacht. Auch Chantal könnte hier oben nicht wirklich helfen. Sie liegt ohnehin im Tal im Handschuhfach und lernt vermutlich Straßennamen auswendig. Ich versuche, mir meine Planlosigkeit nicht anmerken zu lassen; es gelingt mir nicht wirklich. Ich entdecke zwar diverse Holzschilder, auf denen Gipfelnamen und Ähnliches geschrieben stehen, doch den Namen von Franziskas Hütte kann ich auf keinem der Wegweiser entdecken. Melina
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