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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht
Autoren: Faber Dietrich
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sonst nix los in diesem Scheißkaff!», antwortet sie und blickt konsequent an mir vorbei oder durch mich hindurch, so genau kann ich das nicht erkennen bei der vielen Schminke.
    «Ja, aber du hast doch gar nichts an!», entgegne ich zaghaft.
    «Hohhhh, Mannnn, das ist mein Kostüm .»
    «Aha, und als was gehst du?»
    «Als Nutte.»
    Ich erhebe mich vom Sofa, um Zeit zu gewinnen, und schaue rat-, sprach- und fassungslos durch die Wohnung, suche den Blickkontakt zu der Mutter dieses Mädchens, finde ihn aber nicht und bleibe somit auf mich allein gestellt.
    Ich baue mich vor meiner Tochter auf, als würde meine körperliche Überlegenheit irgendeinen Nutzen bringen, und frage so väterlich wie möglich:
    «Weißt du denn überhaupt schon, was das ist, eine … äh … Nutte?»
    Wieder die falsche Frage.
    «Haha, sehr witzig, keiner lacht. Kann ich jetzt gehen!»
    Eigentlich ergeben diese vier Worte eine Frage. Doch Melinas Betonung macht deutlich: Am Ende dieser Frage stehen vier Ausrufezeichen.
    «Kann ich jetzt gehen!!!!»
    Wenn mir in solchen Situationen gar nichts mehr einfallen möchte und ich damit beginne, mit dem Denken aufzuhören, dann rede ich manchmal ganz plötzlich so wie mein Vater. Dann spuckt mein Mund Sätze wie den folgenden aus:
    «Ich glaube, dir geht’s zu gut, Junge … äh, Mädchen, das kommt gar nicht in die Tüte. So was zu fragen, das hätten wir uns früher gar nicht getraut. Bei uns gab es gar keine, also, gab’s so ein Wort überhaupt nicht.»
    «Hohhhhrrrr, du bist voll Scheiße», schreit sie dann.
    Und darauf folgt: «Du Arsch!», und wumms, die Zimmertür und krrrk, der Schlüssel.
    In Momenten wie diesem dürfte mein Polizeibereitschaftshandy ruhig öfter einmal klingeln. Tut es aber nie.
    Franziska, meine Frau, wirft einen fragenden Blick ins Wohnzimmer.
    «War was?»
    «Nö, eigentlich nichts», antworte ich. «Ich bin ein Arsch, und meine Tochter ist eine Nutte, also alles ganz normal.»

[zur Inhaltsübersicht]
    2. KAPITEL
    A ch, übrigens, Henning», beginnt Franziska einen Satz, in einem Tonfall, der mir sagt, dass sie etwas von mir will. Vor 25 Jahren, als wir uns bepickelt pubertierend auf Klassenfahrt befanden und es plötzlich hieß, Franziska wolle etwas von mir , da fühlte sich das äußerst gut an. Wenn sie heute, nach fünfzehn Ehejahren, etwas von mir will, dann geht das oft in eine Richtung, die nicht mehr ganz so sexy ist.
    Franziska will wissen, ob das Rote in der Steckdose Blut, Wasserfarbe oder Tomatensoße sei. Ich muss passen, und Franziska klärt mich auf, dass Laurin Spaghetti in der Steckdose versteckt habe. Ich hätte es sehen müssen, meint Franziska, und vermutlich hat sie recht.
    Dann möchte sie wissen, ob ich mit Berlusconi draußen gewesen wäre. Sie formuliert dies als Frage, obwohl sie die Antwort kennt. Nein, lautet sie.
    Das hundebedingt regelmäßige Gassigehen tut mir selbst eigentlich auch echt gut. Es würde vermutlich sogar Spaß machen, wenn Berlusconi nicht ständig, seinem ausgeprägten Jagdtrieb folgend, jungen Häschen nachsteigen und sich nicht permanent so territorial und sexualisiert verhalten würde. Vielleicht hätte man Berlusconi doch kastrieren sollen. Es wäre uns einiges erspart geblieben.
    Ich stelle immer wieder fest, dass ich grundsätzlich nicht mit einer Ehefrau streiten kann. Ich habe zwar nur diese eine und hatte auch bisher noch keine andere, aber bei allen anderen Ehefrauen wäre es, muss man annehmen, genauso.
    Wie geht das, streiten, und muss man das überhaupt? Ich halte Konflikte für überbewertet und versuche, ihnen wenn irgend möglich, aus dem Weg zu gehen. Franziska sagt, sie würde sich wünschen, dass ich auch einmal einen Standpunkt hätte, diesen formulieren und am Ende dann sogar noch für ihn einstehen könnte. Meistens aber kenne ich ihn gar nicht, diesen sogenannten Standpunkt. Jedenfalls nicht in Beziehungsgesprächen. Franziska aber will ihn hören. Sie ist Lehrerin.
    Wenn wir so etwas Ähnliches wie einen Streit haben, würde ich immer dreinblicken wie Berlusconi, wenn er kackt, sagt sie. So auch jetzt. Ich hätte das Wochenende frei, sagt Franziska, also könnte ich doch einmal mitkommen zum Faschingsumzug, wenigstens meinem Sohn zuliebe. Das mit Laurin ist emotionale Erpressung, denke ich, und außerdem habe ich nicht frei, sondern Bereitschaft und kein Kostüm. Sage es aber nicht, sondern gucke wie ein scheißender Köter und sehe diesen unschönen Anflug von Resignation in Franziskas
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