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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht
Autoren: Faber Dietrich
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blauen Augen. Dann wird es schwer und still um uns. Wie so oft in letzter Zeit.
    Irgendwann sage ich: «Geh du doch mit Laurin zum Umzug. Ich bleibe mit dem Biest hier.»
    «Das ist ja wohl logisch, dass ich Berlusconi nicht auch noch mitnehme», sagt Franziska.
    «Ich meine unsere Tochter», sage ich.
     
    Urplötzlich merke ich, wie müde ich bin. Ich schlafe immer schlecht, wenn ich Bereitschaftsdienst habe und mein Diensthandy neben mir liegt. Es braucht nur irgendein Küchengerät, Hund oder Kind zu fiepen, dann zucke ich zusammen, bekomme schwitzige Hände und fürchte, dass ich los muss. Ich, der Kriminalhauptkommissar Henning Bröhmann, der hoffentlich bald die Dienststellenleitung an den wesentlich begabteren Markus Meirich abgeben wird.
     
    Während sich Franziska nun mit dem als Avatar verkleideten Laurin in den Straßenfasching der sechs Kilometer von Bad Salzhausen entfernten Niddaer Innenstadt stürzt, meine Tochter in ihrem Zimmer am Telefon ihre Eltern verflucht und Berlusconi die Steckdose ableckt, sitze ich vor dem Laptop und schieße Moorhühner tot. So hat jeder was zu tun.
    Faschingsumzügen beizuwohnen ist meine Sache nicht.
    Mein Vater war achtzehn Jahre lang Sitzungspräsident und Vorsitzender des Faschingsvereins Rudingshain e.V. In meiner Kindheit und Jugend habe ich im Musikcorps Rudingshain e.V. im Harlekinkostüm auf Faschingsumzügen die Trompete geblasen. Ich bin da so reingerutscht. Wie andere in Drogenszenen abgleiten und dann nicht mehr rauskommen, so bin ich im Musikcorps versackt. Väterliche Prägung und kindliche Neugier haben mich im Alter von zehn Jahren da hineingetrieben. Als ich merkte, dass ich auf Übungsstunden im Musikcorps noch weniger Vorfreude empfand als auf Mathematikarbeiten, war es zu spät. Es war Pflicht. Schließlich war mein Vater auch nie gerne der Sitzungspräsident. Er war es einfach. Er war der Meinung, dass man sich in einem Dorf in die Gemeinschaft integrieren müsse. Und das tue man am besten im Vereinswesen. Und als Präsident des Polizeipräsidiums Osthessens müsse man im Faschingsverein eben auch ein Präsident sein.
    Erst ein chronischer hartnäckiger psychosomatischer Lippenherpes ließ mich im Alter von sechzehn Jahren den Schritt wagen, nicht mehr Trompete spielend neben dem dicken Waldemar im Gleichschritt durch den Vogelsberg zu marschieren.
     
    Und dann ist es plötzlich doch weg, das Töchterchen. Schneller als der Wind aus dem Haus gehuscht. Unfassbar. Ich habe nur noch die Tür zuschlagen hören und sie bei knapp null Grad im Dirnenkostüm abziehen sehen.
    Nun ja, man muss auch mal loslassen können.

[zur Inhaltsübersicht]
    3. KAPITEL
    S o war das nicht gemeint.
    Natürlich gibt es da irgendwo auch bei mir den Wunsch nach Veränderung. Natürlich sollte es so nicht ewig weitergehen, und natürlich war vieles auch in gewisser Weise festgefahren.
    Aber dass innerhalb weniger Minuten mein Leben ein so derart ungemütliches Tempo aufnimmt, das kann ich nicht gewollt haben.
    Natürlich ist auch mir nicht entgangen, dass Franziska in letzter Zeit ein wenig müde wirkte. Natürlich habe ich auch einige Male ihre Unzufriedenheit wahrgenommen, und es war natürlich auffallend, dass sie in den letzten Wochen nicht einmal mehr den Versuch unternahm, mit mir zu streiten.
    Natürlich, natürlich, natürlich, aber das ist doch alles nur eine Phase und vor allem noch lange kein Grund, unsere Ehe und alles in Frage zu stellen.
    Doch so wirklich gefragt hatte sie eigentlich gar nicht mehr.
     
    Doch der Reihe nach:
     
    Ungefähr zwei Stunden nachdem Melina gegen fünf aus ihrem häuslichen Gefängnis ausbrach, bin ich allein gewesen. Jetzt steht Franziska urplötzlich in unserem Wohnzimmer. Viel früher als erwartet ist sie vom Faschingsumzug zurückgekehrt. Ich hatte mich gerade mental auf die Live-Übertragung des Spiels Eintracht Frankfurt gegen 1. FC Nürnberg im Bezahlfernsehen vorbereitet und seit fast einer Stunde die nichtige Vorberichterstattung verfolgt.
    Franziska starrt mich an. Eigentlich dachte ich alles an ihr zu kennen, doch dieser Blick, der ist neu. Ich versuche meine Irritation über ihr frühes Heimkehren zu verbergen und begrüße sie in betont freudigem Tonfall:
    «Oh, hi … wo ist denn Laurin?»
    «Bei Calvin-Manuel.»
    Das ist ein Kind, das auch nichts für seinen Namen kann. Laurin kennt ihn aus dem Kindergarten. Kindergarten ist untertrieben, Laurin geht in die reformpädagogische elternselbstorganisierteundverwaltete
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