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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht
Autoren: Faber Dietrich
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kriegen?
    Aber ich bin doch der Hauptkommissar. Und wir sind ohnehin unterbesetzt. Ich habe in den letzten Jahren streckenweise so schlecht gearbeitet, dass ich ein viel zu schlechtes Gewissen habe, um Markus mit Teichner alleine zu lassen. Jetzt, wo nach Jahren einmal ein großer Fall ansteht. Jetzt, wo ganz Mittel- und Osthessen auf Nidda schaut. Ein Toter im Rahmen des großen Faschingsumzuges. Das gibt es hier sonst nicht.
     
    Ich werde morgen Mittag Laurin vom Kindergarten abholen. Zum Glück kann er noch eine Nacht länger bei Wolle und Molli bleiben, Molli bringt ihn morgen früh noch einmal zum Schlumpfloch, also zum Kindergarten. Dann aber werde ich ihm irgendwie erklären müssen, warum seine Mama nicht da ist. Wie geht das mit einem Fünfjährigen? Er ist so auf seine Mutter fixiert. Immer wenn er nachts weinend aufwachte und ich darauf von Franziska gebeten bis genötigt wurde, auch einmal nach ihm zu schauen, hat er bei meinem Anblick noch stärker zu weinen angefangen und klar zu verstehen gegeben, dass meine Person nicht wirklich erwünscht ist. Dann ist Franziska doch gegangen, und ich konnte nicht mehr einschlafen. Mit mir will Laurin immer Polizei spielen. Ich hasse das. Er will unbedingt Polizeipräsident werden, wie sein Opa. Er kann alles andere werden, von mir aus auch Zuhälter, nur bitte nicht Polizist und schon gar nicht Polizeipräsident. Ich hege trotzdem die große Hoffnung, dass er am Ende doch nicht zur Polizei will. So wie ich nie zur Polizei wollte und dann doch dort gelandet bin, so wird Laurin, der sich momentan nichts anderes wünscht, als Polizist zu werden, am Ende vermutlich ganz etwas anderes machen. Ich wünsche es ihm jedenfalls.
    Mit Melina habe ich das Gespräch über den neuen Status quo bereits am Sonntagabend geführt. Es lief so ab:
    «Melina, ich muss mal mit dir reden.»
    «Oh, neeeeee.»
    «Nein, nicht so, sondern anders …»
    «Was?»
    «Pass auf, Mama geht es nicht gut. Sie ist … na ja, wie soll ich sagen, überlastet und braucht eine Pause, und, na ja, jetzt ist sie für ein paar Tage quasi weg, um sich zu erholen. Also, sie ist krank, wird aber wieder gesund, muss sich halt erholen und braucht sozusagen Erholung, um gesund zu werden. Wie lange das dauert, weiß ich nicht. Aber sie ist jetzt erst mal weg und kommt irgendwann wieder. Jetzt sind wir halt ohne sie, aber wir kriegen das doch hin, oder?»
    «Fertig?»
    «Ja, eigentlich schon, ich weiß nicht, ob du …»
    «Kann ich jetzt gehen?»
    «Äh, ja …»
    Dann ging sie auf ihr Zimmer. Immerhin haben wir uns nicht gestritten.
     
    Es ist immer wieder absurd. Ich leite Ermittlungen. Ich bin weisungsbefugt, ich bin einer der Hauptkommissare bei der Alsfelder Kripo. Es läge also an mir zu sagen, was zu tun ist. Meistens aber muss ich das nicht. Es nimmt immer irgendwie alles so seinen Gang. Markus Meirich weiß immer, was zu tun ist. Ich beschäftige mich derweil mit Präventionsprojekten. Entwickle gemeinsam mit Miriam Meisler, der Präventionskoordinatorin, Projekte wie Aktionstage an Schulen, schreibe an den Broschüren und stelle sie dann der Öffentlichkeit vor. Das mache ich ganz gerne, jedenfalls klappt das ganz gut. Manchmal fahre ich auch zu Berufsbildungsmessen und stelle dann jungen Menschen den Polizeiberuf vor. All das ist planbar und überfordert nicht. Mord überfordert eindeutig. Mord und Ehefrau-weg überfordern noch eindeutiger.
    Und auch heute Morgen, als wir uns zu einer Lagebesprechung im Alsfelder Büro treffen, stehe ich schon bei der Eröffnung der Sitzung neben mir.
    «Okay, Leute», sage ich, «dann lasst uns doch mal zusammentragen, wie und was es jetzt … äh, weitergeht. Na ja, viel wissen wir ja noch nicht, und daher … äh …»
    «Nujoh …», unternuschelt mich Teichner.
    «Wie bitte?», frage ich nach.
    «Ach nichts», murmelt er und grinst doof.
    «Mach du erst mal», sagt er, um dann doch noch seinen Satz hinterherzuschieben: «Wobei man ja eigentlich schon recht viel weiß …»
    Pause.
    «Also, ich wenigstens.»
    Er zieht die Brauen hoch und verschränkt die Arme vor seinem unförmigen Körper.
    «Teichner, du bist gefeuert», sage ich. Nein, ich sage es nicht, sondern denke es nur. Das ginge auch gar nicht ohne Zustimmung des Oberkriminalrats Ludwig Körber. Onkel Ludwig, wie ich ihn seit meiner Kindheit, aber natürlich nicht im Dienst, nenne, der alte Freund meines Vaters, dem ich meine Position zu verdanken habe, die ich gar nicht wollte. Aber mit dem
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